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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Enttäuschung bereiten zu müssen, sollte sie den Wunsch nach einer neuen Garderobe hegen.
    Dann drehte sich ihr Begleiter um, und mir blieb die Luft weg.
    Ihm offensichtlich auch.
    »Ariane! Fädchen! Mann, bist du hübsch geworden«, rief er dann auch und breitete die Arme aus. Ich stürzte hinein, halb lachend, halb weinend.
    »Leander! Was machst du denn hier? Im kalten, klammen Februar?«
    »Das ist eine lange Geschichte, die ich dir in den nächsten drei Monaten erzählen werde.«
    »Du bleibst bis Mai?«
    »Auf Einladung des hochwohllöblichen Herrn Korsettfabrikanten Karl Adolph Kronenberg.«
    »Ein bewundernswerter Mann, sicher, nur – müsste ich ihn kennen?«

    »Du wirst ihn kennen und lieben lernen. Aber zuerst möchte ich dir diese noch viel liebreizendere Dame vorstellen.«
    Die junge Frau sah mich mit dunklen Augen unter sehr hoch gewölbten Brauen ein wenig unsicher lächelnd an, und als er mir ihren Namen, Viola Martel, nannte, entfuhr es mir: »Ach, nicht Hero?«
    »Ich bin doch nicht lebensmüde.«
    Wir lachten – zehn Jahre verflogen wie nichts, die alten Gewohnheiten rückten an ihre Plätze, keine spöttische Anspielung vergessen, so vieles vertraut. Doch die unverfälschte Freude über das Wiedersehen musste warten, erst galt es Viola zu begrüßen. Sie sprach eine Mischung aus Französisch und Deutsch, wobei ihre Muttersprache deutlich überwog. Höflich bekundete sie ihr Vergnügen, mich kennenzulernen, und hoffte, dass sie keine Ungelegenheiten verursachte.
    »Aber nein. Einzig, wenn ihr hier übernachten wolltet, Leander, dann wird es ein bisschen problematisch.«
    »Aber nicht doch. Kronenberg hat uns Zimmer in einer hübschen Pension gemietet, am Rhein unten.Wir haben uns bereits eingerichtet.«
    »Nun kommt erst einmal mit in die Küche, wir müssen hier ja nicht herumstehen wie die Zinnsoldaten. Mademoiselle Martel, möchten Sie mir Hut und Mantel geben?«
    Sie reichte mir beides und enthüllte ein kariertes Barchentkleid, das auch schon mal bessere Zeiten gesehen haben mochte. Leander warf seinen weichen Hut und den abgeschabten Paletot über einen Sessel und folgte mir nach unten.
    »Niedlich hast du es hier, Fädchen.«
    Ich wollte die Musterzeichnung vom Tisch räumen, aber er hatte sich schon darauf gestürzt. Während er sie fachmännisch musterte, ergötzte ich mich an seinem Anblick.
    Zehn Jahre lang hatte ich meinen Bruder nicht mehr gesehen. Er war groß und sehnig, seine unordentlichen Locken hätten wieder einmal einen Schnitt vertragen können, sein Gesicht war trotz des Winters leicht gebräunt, seine Kleidung wie üblich
völlig nachlässig.Vierunddreißig war er, doch im Gegensatz zu den gesetzten Herren der besseren Kreise, die ihr Wohlstandsbäuchlein ansetzten und hohe Stirnen bekamen, wirkte er noch immer wie der junge Mann, den ich an meinem Hochzeitsfest zum letzten Mal gesehen hatte. Danach war ich nach Braunschweig gezogen, er kurz darauf nach Paris.Wir hatten hin und wieder Briefe gewechselt, aber er gehörte zu den Schreibfaulpelzen, und so hatte ich von seinen Unternehmungen nur aus den Berichten meiner Mutter erfahren. Immerhin hatte er sein Kunststudium mit Erfolg abgeschlossen, Zinsen aus einer winzigen Erbschaft erlaubten ihm, ein mageres, aber freies Künstlerleben zu führen, ohne sich von Auftragsarbeiten einengen lassen zu müssen.Vor fünf Jahren schließlich hatte er sich in dem Künstlerörtchen Barbizon niedergelassen. Aber auch er hatte sich über mich auf dem Laufenden gehalten, bei unserer Mutter meine Adresse erfragt und von ihr auch von meinen gesellschaftlichen Fehltritten gehört.
    Das waren die dürren Fakten, die wir voneinander kannten, da er aber nun aufgetaucht war, würden wir ganz bestimmt das Skelett mit Fleisch füllen. Aber zuerst war ich gespannt, was er von meinem Rosenrankenmuster hielt.
    »Mama hat mir schon erzählt, dass du auch unter die Künstler gegangen bist, Fädchen. Ist es das hier, was du machst?«
    »Ja, ein Versuch.«
    »Ziemlicher Mist.Wer will kitschige Rosenblüten? Am besten noch rosa und weiß auf lindgrünem Grund.« Und dann grinste er: »Aber wenn’s ordentlich bezahlt wird, warum nicht?«
    »Wird ordentlich bezahlt, wird auch gewünscht, aber gefallen tut es mir auch nicht. Das Dumme ist nur, dass mir irgendwie die Ideen ausgegangen sind.«
    Er zog sich den Stuhl herbei, riss das oberste Blatt vom Skizzenblock und nahm den Stift in die Hand.
    »Woher hattest du vorher deine Ideen?«
    »Oh, die sind auch

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