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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Wochen im Süden Frankreichs verbracht hatte.
    »Papa könnte so ein großer Maler sein, wenn er immer das auf die Leinwand brächte, was er in der Zeit geleistet hat, Ariane. Aber er nimmt Portraitaufträge an, die er selbst öde findet, nur um Geld zu verdienen.«
    »Was soll er machen, Leander? Von Mamas Klavierstunden könnten sie sich keine Reisen in den Süden leisten.«
    Mein Bruder zuckte höchst französisch mit den Schultern und goss sich reichlich Milch in den Kaffee.
    »Schon gut, ich bin ein Idealist. Aber ein liebenswerter, oder?«
    Das war er, mein Bruder. Ein Träumer, ein Besessener und ein von den Musen begnadeter Künstler.
    »Außerdem habe auch ich eine profane Geldquelle aufgetan. Viola hat mich drauf gebracht.«
    »Er hat mir Vorratsschrank leergefressen, ich musste mir helfen, Madame.«
    »Ariane bitte, Viola. Und seine Gefräßigkeit ist mir wohlbekannt. Wie haben Sie ihn gezähmt?«
    »Macht Zeichnungen für Plakate für unser Theater. Mit mir als Modell!«

    »Sehr schlau!«
    Leander grinste verlegen.
     
    Drei Stunden später brachen wir zu unserem Theaterbesuch auf.Viola hatte ein flammendrotes Seidenkleid angezogen, mein Bruder sich sogar in ein Hemd mit steifem Kragen gezwängt, was ich als großes Entgegenkommen wertete. Am Salon Vaudeville wählte ich nicht den Haupteingang, sondern klopfte an die Hintertür. Nona machte mir auf, und ich fragte sie, ob noch drei Plätze für uns zu haben seien.
    »’türlisch! Ich regle das. Gehen Sie vorne rein.«
    Während wir zum Haupteingang gingen, hob Leander fragend eine Braue.
    »Eine deiner zweifelhaften Beziehungen, Fädchen?«
    »Eine meiner unzweifelhaft nützlichen, Bruderherz.«
    Der Saaldiener führte uns zu einem Tisch direkt an der Bühne, und eines der Serviermädchen kam sofort auf uns zu.
    »Guten Abend, gnädige Frau. Guten Abend, die Herrschaften. Madame LouLou lässt fragen, was Sie zu trinken wünschen.«
    »Champagner, Lili.«
    »Zweifellos überaus nützlich!«, zischelte Leander und sah sich um. Der Zuschauerraum füllte sich, aber da es ein normaler Werktag war, blieben doch einige Tische weiter hinten unbesetzt. Auch Viola betrachtete die Umgebung mit Kennerblick.
    LouLou hatte das Repertoire zwar erweitert und an den Geschmack des Publikums angepasst, auf Grund der Ausschreitungen im Herbst jedoch auf deutliche Anzüglichkeiten verzichtet. Der Einakter, der das Programm eröffnete, war witzig, und ich hörte Leander neben mir leise die wichtigsten Stellen für Viola übersetzen. In der anschließenden Pause schlenderten wir durch den Saal, bedienten uns am Buffet, und ich erzählte in zusammengefasster Form, wie ich LouLou kennengelernt hatte und auf welche Weise wir zusammenarbeiteten.
    »Gut gemacht, Fädchen. Mama hat das nicht ganz richtig verstanden oder mir verkehrt berichtet. Sie meinte, dass du als Garderobiere
an einer großen Bühne arbeitest. Aber das hier ist ja viel aufregender.«
    »Sie machen die Kostüme für die Schauspieler?«, wollte auch Viola wissen.
    »Für alle hier. Auch die Serviermädchen, vor allem aber für die Tänzerinnen.«
    »Es ist schwierig, für Tänzerinnen zu nähen. Immer platzen Nähte!«
    »Wie wahr. Aber es gibt Tricks.«
    Viola gefiel mir. Sie war keine gebildete junge Dame, aber von schneller Auffassungsgabe und unprätentiösem Benehmen, selbstsicher und ein wenig ernsthafter, als man es erwartet hätte. Leander schien ihr sehr zugetan zu sein, bei ihr war ich mir nicht ganz sicher. Aber ich kannte sie ja auch erst seit ein paar Stunden.
    Dann aber, nach Melisandes schaurigen Balladen zur Drehorgel, konnte ich erleben, wie Viola jegliche Zurückhaltung verlor und in blanke Ergriffenheit verfiel.
    LouLou tanzte. Einen verrückten, überaus witzigen Tanz, bei dem sie vorgab, dass eine Biene sich in ihre Röcke verirrt hatte, weshalb sie in immer neuen Figuren hier und da gelüpft werden mussten.
    Mit weit aufgerissenen Augen, die Lippen leicht geöffnet, vorgebeugt und die Handballen auf die Tischkante gepresst, saugte Viola förmlich jede Bewegung in sich hinein.
    »Sie ist … Sie hat nichts an unter dem Kleid?«, fragte sie einmal fassungslos. Und verbesserte sich schnell. »O doch, sie hat ganz lange Strümpfe.«
    »Ein Trikot aus Seide«, flüsterte ich ihr zu.
    »C’est fantastique!«
    Melisande schmetterte noch ein keckes Chanson, LouLou zeigte ihren Schmetterlingstanz, und sowohl Leander wie auch Viola spendeten ihr stürmischen Beifall. Der Vorhang schloss sich, und ich

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