Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix

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Prozedur noch schmerzhafter. Zum Glück ließ der Druck nach zwanzig Sekunden nach, aber eine wirkliche Verschnaufpause gab es nicht, denn Blatt merkte plötzlich, wie sie von etwas bearbeitet wurde, das sich wie riesige Haarbürsten anfühlte, die maschinell an ihrem ganzen Körper auf und ab fuhren.
    »Streck die Arme aus!«, sagte die Stimme.
    Blatt biss sich auf die Lippen, als die Bürsten über ihre Arme liefen. Es war weniger der Schmerz als vielmehr die Erniedrigung, gewaschen und geschrubbt zu werden, auch wenn es nur ferngesteuert geschah. Sie kam sich vor wie ein Versuchstier.
    »Halte dich bereit für eine weitere Dusche!«, sagte die Stimme.
    Diese dritte Dusche war noch stärker als zuvor. Blatt duckte sich unter den brennenden Wasserstrahlen und unterdrückte ein Schluchzen.
    Ich war Schiffsjunge auf der Fliegenden Gottesanbeterin , sagte sie sich grimmig . Ich hab Stürme auf hoher See und Gefechte gegen Piraten mitgemacht. Ich werde auch hiermit fertig! Ich hab gegen Bürger und mordgierige Pflanzen gekämpft, ich werde hiermit fertig –
    Die Dusche brach ab. Blatt hörte ein Pling wie von einer Mikrowelle, die fertig ist, und dann glitt in der Wand zu ihrer Rechten eine Tafel zur Seite.
    »Zieh die Kleidung in dem Behälter rechts von dir an!«, sagte die Stimme.
    Die »Kleidung« war nicht mehr als ein Bademantel, der aus einer Art weichem blauem Papier bestand. Blatt zog ihn an.
    »Geh durch!«, sagte die Stimme. Die innere Tür öffnete sich und enthüllte einen Raum, der zwar größer als der vorherige, jedoch bis auf einen kleinen Klapptisch genauso kahl und weiß war. Auf dem Tisch lagen eine Schere, ein tragbares Diagnosegerät und eine Arzttasche. Hinter dem Tisch stand eine Soldatin. Wie die Soldaten draußen trug auch sie einen Schutzanzug, doch anstelle einer Gasmaske hatte sie eine Art Astronautenhelm mit Visier auf, von dem aus ein Luftschlauch zu einem kleinen Tornister führte.
    »Hi!«, sagte die Soldatin. »Ich heiße Ellen. Blatt, richtig?«
    »Jau.«
    »Ich fürchte, ich muss dir den Großteil deiner Haare abschneiden. Ein paar schnelle Tests werden wir ebenfalls durchführen.«
    »Na prima«, sagte Blatt. »Am besten bringen wir’s schnell hinter uns!«
    »So ist’s recht!«, lobte Ellen. »Du kommst übrigens als Erste dran. Wir werden alle im Bereich des radioaktiven Niederschlags dekontaminieren, sobald wir vollständig eingerichtet sind.«
    »Alle, die noch leben, meinen Sie wohl«, sagte Blatt.
    »Ja«, antwortete Ellen ruhig. »Wir werden jeden retten, den wir können. Würdest du dich jetzt bitte auf das Feld da stellen, dann können wir beginnen.«

KAPITEL FÜNF

    Arthur packte die mittlere Zinke der lodernden Heugabel, ohne der Hitze und den Flammen Beachtung zu schenken, und entriss sie dem Griff des Jungen, der rücklings hinfiel, gegen die Tür der Vorratskammer krachte und sie zertrümmerte. Während der Angreifer versuchte, wieder aufzustehen, ließ Arthur die Gabel mit einem Ruck herumschnellen, sodass er sie am Stiel halten konnte, und hob sie über den Kopf, bereit zuzustoßen. Er wollte sie dem Jungen gerade wütend in den Körper rammen, als er mitten in der Bewegung innehielt.
    Er ist nur ein Junge, genau wie ich … genau wie ich früher, dachte Arthur durch den roten Schleier seines Zorns . Was mache ich da?
    »Tötet mich nicht!«, kreischte der Junge.
    »Warum hast du versucht, mich zu töten?«, fragte Arthur. Die Heugabel senkte er nicht.
    »Es heißt, Ihr seid ’n Unkraut«, antwortete der Junge. Jetzt, wo Arthur den Eindringling genauer in Augenschein nehmen konnte, war er sich sicher, es mit einem Pfeiferkindzu tun zu haben. Er trug grüne Stiefel aus einem gummiartigen Material, eine verdreckte Hose mit Schottenmuster sowie einen gelbbraunen Rock mit kurzen Schößen über einem grünen Hemd mit Rüschenbesatz und einer senffarbenen Weste; sein Gesicht wurde von einer großen Tuchmütze überschattet.
    »Ein Unkraut?«, fragte Arthur. »Aber ich befinde mich in einem Haus! Und ich bin offensichtlich keine Pflanze.«
    »Ich soll ’n Unkraut finden, das in den Garten gekommen ist«, sagte der Junge. Er griff in eine Westentasche und zog ein schmuddeliges Stück Papier heraus, das mehrmals zusammengefaltet worden war. »Da schaut, ich hab den Arbeitsauftrag! ’ne Verwechslung, schätz ich. Niemand hat mir gesagt, dass ’n hohes Tier das Jäten übernehmen würde, und –«
    »Halt die Klappe!«, befahl Arthur. Er lehnte die lodernde Heugabel