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Goldener Sonntag

Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Schläge, eine Pause, dann noch mal drei Schläge. Jedes Mal, wenn der neunte Schlag verklungen war, folgte eine längere Stille, und alle spitzten die Ohren, um zu horchen, ob es dabei bleiben würde und keine Gefahr mehr bestand.
    Doch die Glocke schlug weiter, und Digby beschleunigte seine Schritte, als sie die Gleise hinter dem Dienstwagen des Zuges überquerten, der eine ungewöhnlich kleine Bürgerbahnwärterin trug, die unter ihrer großen Ledermütze wie eine Zwergin wirkte. Sie schwenkte beim Vorüberfahren ihre rote Laterne zum Gruß, doch nur Giac winkte zurück; die anderen waren zu sehr in Gedanken versunken.
    Als sie die Treppe erreichten, die zum Verlies hinabführte, war diese vollgestopft mit Buchbindern, die sich so dicht zu einem Pulk zusammengedrängt hatten, dass sie mit ihren langen Nadelspeeren an ein aufgeregtes Stachelschwein erinnerten. Digby musste schreien, damit sie der Gruppe Platz machten. Während er sie nach unten führte, rückte ein Peloton musketentragender Regimentssoldaten an und schloss sich Doktor Scamandros an, der die Nachhut von Susis Trupp bildete.
    Im Korridor am Fuß der Treppe passierten sie mehrere dicke, eisenbeschlagene Türen, die offen standen, um die Speerträger durchzulassen. Als Susi nach oben schaute, sah sie, dass in der Decke viele Mordlöcher waren, und erhaschte auch einen Blick auf die Bürger, die oben mit großen Kesseln voll heißem Öl lauerten.
    Die massivste Tür von allen, die sich am Ende des Korridors befand, war fest geschlossen und mit vier schweren Balken verriegelt. Ein Buchbinder saß auf einem der Balken, sodass er durch das kleine Gitterfenster blicken konnte. Als Digby und die anderen ankamen, sprang er herunter und verbeugte sich.
    »Pressendreher Erster Klasse Horrybig, vorübergehend betraut mit dem Befehl über die Kellergarde! Erlaube mir, Eindringlinge aus dem Vordereingang zu melden!«, dröhnte er mit Feldherrenstimme. »Ein riesiger Nichtling und ein kleiner, wie ein Sterblicher geformter Nichtling!«
    »Ich hab’s Ihnen doch schon mal gesagt: Ich bin kein Nichtling!«, rief plötzlich jemand auf der anderen Seite der Tür.
    »Das ist Blatt!«, schrie Susi und wollte an die Tür rennen, doch Doktor Scamandros hielt sie am Ärmel zurück.
    »Vorsicht!«, flüsterte er. »Das könnte ein Trick sein; vielleicht sogar ein Hastorkra von Blatt! Lass es mich überprüfen.«
    Der Zauberer wühlte in seinen Taschen herum, förderte seine goldgeränderte Brille zutage und setzte sie so auf, dass die Gläser ihm über den Augen auf der Stirn saßen.
    »Oh, ich erinnere mich!«, sagte Giac und schien selbst überrascht. »Geistiges Sehen!«
    »Exakt, werter Kollege«, antwortete Doktor Scamandros. Er trat vorsichtig auf den untersten Balken und spähte durch das Fenster.
    »Hmmm«, meinte er. »Das große Wesen dort ist in den Unvergleichlichen Gärten gezüchtet worden und nicht wirklich ein Nichtling, sondern ein zauberisch manipulierter Eingeborener irgendeines Sekundären Reiches. Bei dem kleineren Wesen handelt es sich um eine Sterbliche … keinen Hastorkra –«
    »Doktor Scamandros, ich bin’s, Blatt! Ist Arthur bei Ihnen?«
    »Definitiv eine Sterbliche«, fuhr Doktor Scamandros fort. »Wahrscheinlich Fräulein Blatt. Ich stelle fest, dass die zauberische Waffe, die sie festhält, eine Verbindung mit dem Vordereingang aufrechterhält; ferner hat die Sterbliche die Kreatur unter Kontrolle, weil sie Grobbins Kommandoleine benutzt –«
    »Daran erinnere ich mich auch!«, rief Giac aus. »Der alte Grobbin war einer meiner Oberlehrer, aber bis gerade eben hatte ich alles vergessen, was er erzählt hat. Sieh mal einer an! Es war die ganze Zeit da, aber ich konnte nicht daran denken.«
    »Zu viel Regen«, meinte Susi. »Hast wahrscheinlich Wasser aufs Hirn gekriegt; das hat dich blockiert.«
    »Susi! Kannst du mich rauslassen?«
    »Hochinteressant!«, sagte Doktor Scamandros. »Während die Sterbliche – bei der es sich, wie ich sagen muss, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Fräulein Blatt handelt – ein unveränderter Mensch ist, ist die Uniform, die sie trägt, eine zauberische Konstruktion sehr hohen Ranges, ebenso wie das Schwert, das sie in der Hand hält. Beide von der Architektin höchstpersönlich erschaffen, dafür würde ich mich verbürgen. Oberst Giac, möchtet Ihr vielleicht auch einen Blick darauf werfen?«
    »Es wäre mir ein Vergnügen, äh, verehrter Kollege!«, erwiderte Giac.
    »Macht jetzt vielleicht

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