Goldener Sonntag
aber Susi war immer noch völlig eingeschnürt und drehte sich langsam um ihre eigene Achse. »Wer war das?«
»Keine Ahnung«, sagte Susi. »Das kam einfach aus dem Nichts angeflogen!«
Giac hob die Seife auf und betrachtete sie. »Schmieraffenseife«, stellte er fest. »Da hat wahrscheinlich irgendwo oben wer gedacht, es wär komisch, sie über den Rand fallen zu lassen. Ach, was soll’s! Lass uns anfangen!«
»Du darfst als Erster ziehen«, bot Susi an.
Giac nickte und platzierte die papiernen Damesteine auf dem behelfsmäßigen Spielbrett. Er war gerade fertig damit, als eine Brise die Schnipsel erfasste und über den Rand der Veranda trug, wo sie in der Luft herumwirbelten und bald verschwunden waren.
»Wir sollten Mittags Spielbrett nehmen und die Bauern als Damesteine benutzen«, meinte Susi. »Ich sag dir was – wenn du’s nicht anfassen willst, wie wär’s dann, wenn du mich losschneidest und ich alle Züge mache? Auf die Art kannst du behaupten, dass du nie auch nur in die Nähe des Bretts gekommen bist!«
»Ich weiß nicht recht …«, zögerte Giac. Er warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf das Brett. »Ich würde so gern eine Partie spielen. Ist schon so lange her, dass ich irgendwas gespielt habe.«
»Dann hol mich runter, und wir spielen Dame, bis jemand auftaucht! Wenn’s einer von deinen Leuten ist, sagst du einfach, ich war vor ’ner Minute entkommen. Wenn’s die Neunichtse des Pfeifers sind, kannst du die Seiten wechseln.«
»Die Seiten wechseln?«, fragte Giac lahm. »Ah, wie könnt ich das denn machen?«
»Na ja, du hörst einfach auf, Erhabener Samstag zu gehorchen, und fängst an, dem Pfeifer zu gehorchen … oder sonst jemand. Lord Arthur, zum Beispiel.«
»Einfach so mir nichts, dir nichts?«, hakte Giac erstaunt nach. »Und das würde klappen?«
»Tja, ich schätze schon«, sagte Susi. »Solange du nicht an Samstag selbst gerätst. Oder an einen ihrer höheren Bürger wie Mittag.«
»Aber die sind doch alle nach oben gegangen«, erklärte Giac und zeigte hinauf. »Fallen in die Unvergleichlichen Gärten ein. Ich könnte gleich jetzt die Seiten wechseln.«
»Immer der Reihe nach!«, bremste Susi ihn. »Es ist eine Sache, die Seiten zu wechseln; eine andere, von der Gegenseite auch akzeptiert zu werden.«
Die Andeutung eines Lächelns, die sich auf Giacs Gesicht abzuzeichnen begonnen hatte, zerbröckelte. »Ich hab gleich geahnt, dass es nicht so einfach sein kann!«
»Selbstverständlich wird man dich akzeptieren, wenn du mich gehen lässt«, fuhr Susi fort. »Das wäre der erste Schritt; es ist also ziemlich einfach.«
»Du hast Lord Arthur erwähnt«, sagte Giac. »Wie viele Seiten gibt es gleich noch mal? Ich meine, außer Samstags Seite?«
»Das ist ein bisschen kompliziert«, sagte Susi rasch. »Ich werd’s dir erklären, wenn du mich runterlässt, dann kann ich dir ein Schaubild aufmalen.«
»Ich mag Schaubilder«, meinte Giac.
»Schön!«, sagte Susi. »Lass mich runter, und ich mach dir eins! Schnell!«
»In Ordnung!«, entgegnete Giac, und diesmal huschte tatsächlich etwas wie ein kleines Lächeln über sein Gesicht. Es war das erste Mal, dass Susi einen Zauberkundigen Zaungast auch nur entfernt glücklich erlebte.
Giac zog am Hebel und Susi plumpste auf den Boden der Veranda. Der Bürger trat mit großen Schritten auf sie zu und begann, die Knoten zu lösen.
»Ich bin ein Rebell!«, sagte Giac glückselig. »Denkst du, ich werde eine Uniform bekommen? Etwas Buntes in leuchtenden Farben? Eine rote Jacke wäre toll, mit einem –«
Bevor er mehr sagen konnte, kam etwas großes Schwarzes angesaust, traf ihn am Hinterkopf und streckte ihn über Susi zu Boden. Da Giac noch keinen Knoten richtig aufbekommen hatte, war Susi immer noch gefangen. Alles, was sie tun konnte, war, sich unter Giacs bewusstloser Gestalt hervorzuwinden.
»Susi Türkisblau?«, fragte das schwarze Objekt und formte sich unterdessen aus einer Art Bowlingkugel, die aus winzigen herumwirbelnden Buchstaben bestand, zu einem Raben um, der aus winzigen herumwirbelnden Buchstaben bestand.
»Genau«, bestätigte Susi. »Lasst mich raten – Teil Sechs des Vermächtnisses, stimmt’s?«
»Zu deinen Diensten«, sagte der Rabe. »Sozusagen. Ich bin gekommen, um dich zu retten, so wie Lord Arthur es angeordnet hat.«
Susi rümpfte die Nase. »Ich brauch nicht gerettet zu werden«, erklärte sie. »Ich hatte doch schon alles organisiert, oder etwa nicht? Außer dass Ihr gerade den Bürger k. o.
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