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Goldfalke (German Edition)

Goldfalke (German Edition)

Titel: Goldfalke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noreen Aidan
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abzulegen. Was ging sie eine verrückte alte Frau an, wenn die eigene Zukunft auf dem Spiel stand? Doch dann brachte Kiana es nicht über sich, den Teppich fallen zu lassen. Immerhin fühlte er sich kostbar an, geknüpft mit winzigen Knoten aus feinstem Garn. Vermutlich sogar Seide. Der Verlust eines derart teuren Stücks würde die alte Frau hart treffen.
    Ein Mann, der zwei Plastiktüten trug, blickte Kiana verdutzt hinterher, als sie unschicklich zu rennen anfing. Nicht gerade anmutig sprang sie an einem Haufen Bauschutt vorbei über eine stinkende Abwasserrinne. Endlich holte sie die Alte ein.
    „Hier ist es schon!“, sagte die Greisin und deutete auf eine rissige Wand mit lehmfarbenem Putz, auf der ein altes, zerschlissenes, blaustichiges Wahlkampfplakat des Präsidenten hing. Im Hintergrund reckte sich ein Rohbau aus Beton und Stahl in die Höhe, dazu bestimmt, bald ein Hotel zu werden oder ein Kaufhaus. Hochnäsig schauten die noch scheibenlosen Fenster herab auf die verwitterte Mauer davor. In dieser war weit und breit kein Durchlass zu erkennen. Dennoch schritt die alte Frau unbeirrt darauf zu. Ganz offensichtlich war sie geistig verwirrt. Was sollte Kiana nur mit ihr tun? „Wo wohnt deine Familie, Mütterchen?“
    Die Alte schien nichts zu hören. Sie strich mit ihrem Zeigefinger über das vergessene Wahlkampfplakat, das am löchrigen Putz klebte wie eine verblassende Erinnerung. Die Greisin richtete sich auf und drückte ihre magere Brust gegen das Plakat. Und verschwand darin.
    Die Brust der Alten, ihre Schulter, ihr Kopf, alles weg, in der Mauer, einfach in der Mauer?!?
    Noch bevor Kiana fassen konnte, was da vor sich ging, packten knochige Finger ihren Arm und zogen sie mit unheimlicher Kraft auf das Plakat zu. Kianas Schrei erstickte in Papier, Lehmputz, Mörtel, Stein, sie bekam keine Luft, wurde zerpresst zu Staub, sah nur Dunkelheit, sah nur Enge, sah …
    … Farben, hörte Farben, roch Farben. Selbst durch das A ugengitter der Burka traf sie eine Pracht aus Rot und Blau und Gold mit atemberaubender Wucht. Und dann erst all die unterschiedlichen Düfte! Edles Räucherwerk und Kamelmist, Backwaren und gebratener Fisch, Ziegenkäse und Parfümöle. Die Stimmen von vielen Menschen durchdrangen Farben, Gerüche und Bewegungen.
    Kianas Blick hetzte um sich herum. Hinter ihr war kein Bauschutt, keine Stadt, keine Abgasschwaden. Nur ein frischer, blauer Himmel und blühende Sträucher. Und diese seltsame Mauer. Nicht schäbig und zerbröckelnd wie auf der anderen Seite, sondern sorgsam verkleidet mit sandfarbenem Putz und verziert mit goldenen Ornamenten.
    V or Kiana tat sich ein Weg auf, der zu einem Gewirr aus bunt bemalten Hütten, Verkaufsständen und Zelten führte. Die Alte löste ihren Griff um Kianas Arm und schritt entschlossen auf das farbensprühende Dorf zu. Und wie magisch angezogen folgte Kiana. Es gab Auslagen mit Gemüse, Spezereien, Kristallen, Büchern, Goldschmuck. Blumig gemusterte Kleider hingen an Stangen und wehten in der sanften Brise. Tongefäße schienen in der Luft zu schweben. Lachende Kinder waren da und Pferde und Kamele und Kianas Spiegelbild in einer blauen Glasvase.
    Oh, halt ! Die Tongefäße, die in der Luft zu schweben schienen, oh Gott, die schwebten tatsächlich in der Luft!
    A n einem Zeltpfosten scheuerte sich eine gescheckte Ziege, die acht Hörner auf ihrem kantigen Schädel trug. Der rote Turban des fetten Mannes dort hinten wickelte sich von selbst um seinen Kopf. Auf der Schulter der Frau mit dem funkelnden Haarreif saß ein … ja, was war das? Ein kleiner Affe mit einem Krötenkopf.
    Überhaupt zeigten sich alle Frauen unsittlich unverschleiert. Die meisten waren wunderschön gekleidet mit Gewändern aus bestickter Seide und noch zarteren Geweben. Wenn überhaupt Tücher getragen wurden, dann waren sie hauchdünn und dienten wohl mehr zur Zierde als zur Wahrung des Anstands.
    War das ein Hurenlager in einem aberwitzigen Traum? Wenn Kiana das hier nur träumte - und was sollte es denn sonst sein? - dann war auch ihre Verlobung nur ein Hirngespinst. Und damit auch die Hoffnung auf ein neues Leben. Auf eine Zukunft.
    Ja, natürlich ! Wer wie Kiana die Schuld einer schändlichen Herkunft trug und dann noch weitere Vergehen auf sich geladen hatte, der verdiente keine Zukunft.
    „Willkommen im Bunten Basar“, sagte die alte Frau mit einem fast schon spöttischen Lächeln. „Komm, Töchterchen, suchen wir zunächst das Nötigste für dich zusammen!“
    Auf dem

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