Goldfasan
Gegenübers und stellte sich vor, wie diese in einem Wäschezuber hantierten.
Anscheinend hatte er seine Gesichtszüge nicht ganz unter Kontrolle, denn Charlotte Munder fragte: »Was amüsiert Sie, Herr Hauptkommissar?«
»Nichts, entschuldigen Sie. Also, was hat sich am Dienstag letzter Woche denn nun genau ereignet? Sie haben doch Marta Slowacki losgeschickt, um eine Besorgung zu machen. Was sollte sie tun?«
»Genau. Slowacki. So hieß sie.«
»Hieß?«
Charlotte Munder war sichtlich irritiert. »Wie meinen Sie?«
»Sie sprechen von ihr in der Vergangenheitsform.«
»Ach so. Schließlich ist sie nicht mehr hier, oder?«
»Ja, das stimmt.«
Das Geräusch der sich schließenden Haustür war zu vernehmen. Augenblicke später betrat Walter Munder den Raum. Er war in Zivil, aber auch so eine imposante Erscheinung. Groß, muskulös und blond wie seine Frau. Ein arisches Ehepaar wie aus einem nationalsozialistischen Propagandafilm.
Golsten kannte Munder nicht persönlich. Er hatte ihn mehrmals auf Kundgebungen sprechen hören, an denen er teilgenommen hatte. Nicht ganz freiwillig, aber abkommandiert waren er und seine Kollegen zu den Veranstaltungen nun auch nicht gerade gewesen.
Munder schenkte seiner Frau keinen Blick, sondern fuhr Golsten sofort an: »Hatte ich nicht darum gebeten, dass diese Unterredung auf keinen Fall ohne mich stattfinden sollte?«
»Ihre Gattin war so freundlich, mich auf einen Kaffee einzuladen«, erwiderte Golsten vorsichtig. »Ich bin ja erst seit einigen Minuten hier.«
»Wir haben noch kein Wort über die Angelegenheit gewechselt, Schatz«, sagte Charlotte Munder in einem Tonfall, der Golsten aufhorchen ließ.
Sie war wie verwandelt. Ihre eben noch demonstrierte Selbstsicherheit war wie weggewischt.
»Soll ich dem Mädchen läuten, dass es dir auch einen Kaffee macht?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Munder schob einen der Sessel neben Golstens Platz. »Also, Hauptsturmführer, was wollen Sie wissen?«
Wieder klopfte es und die junge Polin brachte den Kaffee. Als sie das Tablett auf den Tisch stellte, klirrte das Geschirr leise. Sie zitterte. Ohne ein Wort gesprochen zu haben und sichtbar erleichtert, verließ sie das Zimmer wieder.
»Nach Ihren Angaben wurde die Vermisste auf einen Besorgungsgang geschickt. Wohin?«
»Meine Frau hatte ihr aufgetragen, Schuhe von der Reparatur zu holen.«
»Bei wem?«
»Wir lassen bei Weydrich arbeiten. Das ist …«
»Ich weiß, wo das ist«, antwortete Golsten. Er zog ein Notizbuch aus der Tasche. »Und wann war das genau?«
Munder sah seine Frau fragend an.
»Gegen zehn.«
Golsten notierte die Angaben. »Und vom Schuster ist sie nicht zurückgekommen?«
»Was soll das eigentlich?«, brauste Munder auf. »Das habe ich doch alles bereits zu Protokoll gegeben.«
»Entschuldigen Sie, Herr Munder, aber Fragen gehören nun einmal zum Beruf eines Polizisten«, erwiderte Golsten bestimmt. Stellvertretender Kreisleiter hin oder her, Golsten wollte sich nicht einschüchtern lassen.
»Nein, sie ist nicht zurückgekommen. Sonst säßen Sie ja nicht hier!«
»Da haben Sie recht«, lenkte Golsten ein. »Sie haben am 25. März Vermisstenanzeige erstattet. Warum haben Sie zwei Tage gewartet? Eine Fremdarbeiterin, die flüchtig ist, muss unverzüglich den zuständigen Dienststellen gemeldet werden.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«, schnauzte Munder.
»Nichts, absolut nichts«, beeilte sich Golsten zu versichern. »Es erstaunt mich nur, dass Sie achtundvierzig Stunden vergehen lassen, bevor Sie …«
»Ihr Tonfall gefällt mir nicht, Hauptsturmführer.«
»Sicher hatten Sie gute Gründe für Ihr Zögern«, baute Golsten eine Brücke.
»Verdammt noch mal, ja.«
»Und die wären? Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber meine Vorgesetzten werden mich das auch fragen. Wenn ich darauf in meinem Bericht keine befriedigende Antwort gebe, dann …«
Die indirekte Drohung wirkte. Etwas besänftigt erläuterte Munder: »Also, ich befand mich auf einer Dienstreise und bin erst am Donnerstag letzter Woche zurückgekehrt. Vorher wusste ich nichts vom Verschwinden der Polin. Natürlich bin ich sofort tätig geworden.« Er lächelte leicht. »Charlotte kennt sich mit den Polenerlassen nicht so aus wie Sie und ich. Außerdem ist sie, wie soll ich sagen, für eine deutsche Frau etwas weich. Sie hatte gehofft, die Kleine würde wieder zurückkehren. Schließlich wird unerlaubtes Entfernen von der Arbeitsstelle streng bestraft, wie Sie ja
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