Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
Vom Netzwerk:
speckigen Lederschürze ab und fragte mit klebriger Stimme: »Sie wünschen?«
    Golsten zückte seine Marke. Schlagartig änderten sich die Gesichtszüge des Schusters von gelangweilt zu verängstigt. Eine typische Reaktion. Reichssicherheitshauptamt. Das Wort ließ viele erzittern.
    »Golsten. Kriminalhauptkommissar. Ich habe ein paar Fragen an Sie.«
    Weydrich eilte zur Eingangstür, warf einen hastigen Blick auf die Straße, drehte das Schild auf Geschlossen und verriegelte die Tür. Seine Hände umklammerten einen Schuhspanner so sehr, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Mit bebender Stimme stieß er hervor: »Wir haben das Verdunklungsrollo bereits vor zwei Wochen in Auftrag gegeben. Natürlich ist eine schwarze Decke kein vollwertiger Ersatz. Aber wenigstens haben wir ja was vor dem Fenster hängen. Das habe ich auch dem Blockwart erklärt. Und der hat uns versichert, dass wir uns keine Sorgen machen müssten. Ich verspreche Ihnen, Herr Kommissar, ich werde mich unverzüglich mit dem Lieferanten …«
    »Ich bin nicht hier wegen einem etwaigen Verstoß gegen die Verdunklungsvorschriften«, unterbrach Golsten das Nervenbündel.
    »Nein?« Der Schuster wirkte nicht beruhigt, im Gegenteil.
    »Nein. Es wird nicht gegen Sie ermittelt. Ich möchte lediglich eine Auskunft von Ihnen.«
    Weydrich atmete hörbar aus.
    »Sie kennen das Ehepaar Munder?«
    »Den Herrn stellvertretenden Kreisleiter und seine Gattin? Selbstverständlich. Sie gehören zu meinen besten Kunden.«
    Das überraschte Golsten nicht. In diesen Tagen gab es nicht viele, die sich den Gang zum Schuster leisten konnten.
    »Erinnern Sie sich auch an das Mädchen, welches bei Munder im Haus gearbeitet hat?«
    »Diese Polin?«
    »Marta Slowacki, ja.«
    »Ich kenne ihren Namen nicht. Sie hat nie viel gesprochen.«
    Golsten zog das Foto der Vermissten aus seiner Jackentasche. »Ist sie das?«
    »Ja.«
    »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    »Ich muss nachdenken … Ja, jetzt habe ich es wieder. Das war vor etwa einer Woche.«
    »Geht das etwas genauer?«
    »Da muss ich in meinem Auftragsbuch nachsehen. Einen Moment.« Weydrich griff zu einer dicken Kladde und begann zu blättern. »Hier habe ich es. Sie war am 23. März bei mir. Sie hat Schuhe für die gnädige Frau abgeholt. Die Absätze, wissen Sie. Es war nicht einfach, das Material zu bekommen. Ich musste …«
    »Verschonen Sie mich mit Details Ihrer Beschaffungsprobleme. Das Mädchen hat die Schuhe also abgeholt?«
    »Ja. Echte Qualität war das.« Weydrich senkte seine Stimme. »Wissen Sie, die sind nie und nimmer aus deutscher Produktion. Also nicht aus den ganzen Ersatzstoffen wie Gras oder Schilf.« Erschrocken hielt er inne. Dann setzte er fort: »So habe ich das nicht gemeint. Natürlich müssen wir alle Kräfte auf den Endsieg konzentrieren. Schuhe haben da zurückzustehen.«
    »Schon gut.« Golsten ließ ihn reden. Wenn er ihn wieder unterbrach, müsste er dem Mann möglicherweise jedes Wort aus der Nase ziehen.
    »Zugpumps waren das. Aus Ungarn, vermute ich. Braunes Rauleder mit schmalen Plateausohlen und kräftigen Absätzen, in der Mitte kombiniert mit Schlangenleder. Wirklich tolle Schuhe. Aber das Schlangenleder stellte auch das Problem dar. Es war am Absatz beschädigt worden. Und woher bekomme ich heute Schlangenleder, frage ich Sie.«
    »Das Mädchen hat die Schuhe gleich bezahlt?«
    »Wo denken Sie hin! Frau Munder hat, soweit ich weiß, ihrer Fremdarbeiterin nie Geld anvertraut. Nein, die Frau des stellvertretenden Kreisleiters begleicht ihre Rechnungen immer persönlich.«
    »Führte die Polin Gepäck mit sich?«
    »Gepäck? Nein. Nur ihre Einkaufstasche.«
    »Ist Ihnen an ihr etwas aufgefallen?«
    »Was meinen Sie?«
    »War sie beispielsweise nervös?«
    Der Schuster wiegte seinen Kopf hin und her. »Nein, eigentlich war alles wie immer. Nur dünn war sie geworden.«
    »Dünn?«
    »Ja. Ich hatte sie längere Zeit nicht gesehen und fülliger in Erinnerung.«
    Das erstaunte Golsten nicht. Schon die Lebensmittelrationen für die deutsche Bevölkerung waren äußerst knapp bemessen. Von den Rationen, die Polen zugeteilt wurden, konnte niemand Speck ansetzen, im Gegenteil: Menschen, die sich davon ernähren mussten, waren dem Tod näher als dem Leben.
    »Und weiter?«
    »Ich habe ihr die Schuhe und die Rechnung gegeben und sie gebeten, Frau Munder auszurichten, dass sie sich mit der Bezahlung etwas Zeit lassen könne. Ich habe nämlich meinen Laden für zwei Tage zugemacht, um

Weitere Kostenlose Bücher