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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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    Erwin verfiel in einen leichten Trab. »Wat is los?«, fragte er.
    »Lass den Sack. Komm. Da liegt wer im Wald.«
    Sie rannten einen kleinen Hügel hinauf. Von dort oben konnten sie Karl ausmachen, der, heftig mit den Armen rudernd, in einer Senke auf sie wartete.
    Als seine Freunde ihn erreichten, zeigte Karl auf einen Reisighaufen, der wenige Schritte von ihnen entfernt aufgeschichtet war.
    »Da, da drin«, stammelte er. »Da, da liegt wat.«
    Erwin stiefelte durch das trockene Laub zu der Stelle, auf die der Arm seines Freundes gerichtet war. Tatsächlich schimmerte etwas Weißes durch das trockene Geäst. Erwin schob einige Äste beiseite und beugte sich vor, um genauer sehen zu können. Ja, tatsächlich. Da war eine weiße, verdreckte Decke, zu einem Bündel von nicht mehr als einem halben Meter Länge gefaltet. Und jetzt erkannte der Junge auch, was seine Freunde so fassungslos gemacht hatte: Eine kleine Hand ragte aus dem Lumpenbündel hervor. In die weiße Decke war ein toter Säugling eingewickelt worden.
    »Scheiße«, stieß Erwin hervor, als er den ersten Schock überwunden hatte. »Ein totes Kind.«
    Manni schaute Erwin fragend an. »Un wat machen wir gezz?«
    »Ich muss nachdenken.«
    »Komm, lass uns abhauen«, bat Manni. »Wenn uns hier jemand erwischt, heißt es nachher, wir hätten wat mit dem Kind zu tun.«
    »Wir können dat Kleine doch nich hier liegen lassen«, antwortete Karl. »Mitten im Wald.«
    »Warum nich? Tot is tot. Dem Blag is dat so wat von egal.« Manni machte Anstalten zu gehen. Karl dagegen blieb unschlüssig stehen.
    »Wartet.« Erwin hob die Hand. »Karl hat recht. Manni abba auch.«
    »Versteh ich nich«, wunderte sich Manni. »Machen wir nun die Biege oder nich?«
    Erwin straffte sich. »Das Kind mitnehmen geht nich. Dat gibt zu viel Ärger. Es aber einfach hier liegen lassen, geht auch nich, finde ich. Und die Polente holen und dumme Fragen beantworten, geht erst recht nich. Wer weiß, wat mit dem Kind passiert is.«
    »Ermordet. Bestimmt.«
    »Dat wissen wir nich. Is abba egal. Bei uns inne Siedlung wohnt doch dieser Kriminaler.«
    »Der Golsten?«
    »Genau.«
    »Dem stecken wir ’n Zettel innen Briefkasten. Dann muss der sich um dat Kleine kümmern un wir sind aussem Schneider.«
    13
    Freitag, 2. April 1943
    S ieh dir das bitte einmal an.«
    Golsten hielt seinem Kollegen Schönberger einen gefalteten Zettel hin.
    »Im Gysenberger Wald liegt ein kleines Kind«, las der laut vor, nachdem er das Stück Papier auseinandergefaltet hatte. »Das ist tot. Wir warn das aber nicht. Das kann doch da nicht bleiben. Auf der Rückseite haben wir aufgezeichnet, wo das Kleine liegt.« Schönberger drehte den Zettel um und musterte die schlichte Zeichnung. »Woher hast du das?«
    »Habe ich heute Morgen in meinem Briefkasten gefunden. Eingeworfen wurde der Wisch wahrscheinlich gestern Nacht. Kurz nach der Entwarnung. Ich meinte, ein Geräusch gehört zu haben, hatte aber keine Lust nachzusehen. Was hältst du davon?«
    »Vielleicht will sich jemand mit dir einen Scherz erlauben. Schließlich war gestern der erste April. Und es liest sich, als sei es von Kindern oder Jugendlichen geschrieben worden.«
    »Ja, den Gedanken hatte ich auch. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder solch einen morbiden Scherz wagen.«
    »Ich verstehe, was du meinst.« Heinz Schönberger kratzte sich am Kopf. »Du würdest am liebsten nachsehen, stimmt’s?«
    »Genau.«
    »Fahr doch hin.« Schönberger grinste seinen Kollegen breit an.
    »Du weißt genau, dass ich keine Fahrerlaubnis habe.« Trotz mehrerer Aufforderungen seiner Vorgesetzten hatte Peter Golsten bis heute keine Fahrerlaubnis erworben. Irgendwann vor Jahren hatte die Polizeibehörde dann akzeptiert, dass es in ihren Reihen einen Kriminalkommissar gab, der kein Auto wollte, und es aufgegeben, Golsten zu drängen. »Ich hatte gehofft, dass du mich fährst.«
    Schönberger machte eine kreisende Armbewegung, die seinen Schreibtisch umfasste. »Sieht das hier so aus, als ob ich Zeit hätte, mit dir einen Waldspaziergang zu machen?«, fragte er.
    »Nein. Aber ich bitte dich trotzdem.«
    Schönberger überlegte einen Moment. Dann stand er auf und sah aus dem Fenster. »Na gut. Es regnet ja nicht. Ich bewege mich ohnehin zu wenig. Aber die Anforderung für den Kraftwagen unterzeichnest du.«
    Golsten zog einen weiteren Zettel aus der Jacke und griff zum Hörer. »Schon erledigt«, grinste nun er und ließ das Fahrzeug bereitstellen.
    Eine

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