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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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mitgenommen. Allerdings, so hatte Erwin Manni eingeschärft, habe er mit Abstand zu der Laube, wo er den Roten treffen sollte, zu warten.
    Gehorsam blieb Manni nicht weit vom vereinbarten Treffpunkt entfernt stehen und sah Erwin nach, als der einen der Gärten betrat, an die Tür eines Schuppens klopfte und dann in der Laube verschwand.
    Wie immer saß der Rote allein im Halbdunkel.
    »Ist dir jemand gefolgt?«, fragte er nach der Begrüßung. Auch das gehörte zu ihrem Ritual.
    »Nein. Niemand«, antwortete Erwin nach bestem Wissen.
    »Wie geht es dem Vater?«, wollte der Rote wissen.
    »Wir haben keine Nachricht. Sein letzter Brief aus Stalingrad kam vor neun Wochen.«
    »Wenn er nicht gefallen ist und sich den Genossen der Roten Armee nach seiner Gefangenschaft zu erkennen gegeben hat, hört ihr bald von ihm.«
    »Dat hofft Mutter auch.«
    »Habt ihr genug zu essen?«
    »Geht so.«
    »Komm näher.«
    Erwin, der in der Nähe der Tür geblieben war, folgte der Aufforderung.
    »Da hinten im Regal liegt ein Rucksack. Bitte gib ihn mir.«
    Um zum Regal zu gelangen, musste sich Erwin an dem Rollstuhl des Roten vorbeiquetschen.
    »Schieb mich etwas näher zum Ofen«, sagte der Rote. »Abends wird es doch noch etwas kühl.«
    Erwin tat wie geheißen. Dabei rutschte die Decke, die sich der Rote hüftabwärts umgewickelt hatte, auf den Boden. Beide Beine endeten an den Oberschenkeln.
    »Oh, Entschuldigung. Ich wusste nicht …«
    Der Rote lachte bitter. »Brauchst dich nicht zu entschuldigen. Musst auch kein Mitleid mit mir haben. Erstens lebe ich noch und zweitens hätte es noch schlimmer kommen können. Der andere, den sie außer mir nach dem Granateinschlag lebend aus dem Graben gezogen haben, hat auch keine Beine mehr. Aber auch keine Arme. Komischerweise hat der es trotz seiner Verletzungen bis ins Lazarett geschafft. Dort haben sie ihn genauso wie mich wieder zusammengeflickt. Er ist darüber alles andere als glücklich, glaub mir. Sie hätten es besser gelassen. Die arme Sau kann sich noch nicht mal mehr selbst erschießen. Alle anderen im Graben hat es in Stücke gerissen. Da war nichts mehr mit aufsammeln. Da kann ich mich doch glücklich schätzen. Also, her mit dem Ding.«
    Erwin griff nach dem Rucksack. Er war schwerer als erwartet. Der Junge ließ den Sack in den Schoß des Roten gleiten.
    Der kramte mit seiner rechten Hand im Inneren, hielt dann inne. »Wann habt ihr zuletzt Fleisch gegessen?«
    Fleisch? Erwin konnte sich kaum daran erinnern, wie Fleisch schmeckte. Bei ihnen zu Hause gab es allenfalls mal eine Scheibe Wurst auf Karte. »Ich glaub, dat war auf dem sechzigsten Geburtstag von meinem Opa. Vor drei Jahren? Oder waren es vier? Ich hab’s vergessen.«
    »Hier.« Der Rote hatte gefunden, was er suchte. Er hielt Erwin etwas entgegen, was in Pergamentpapier eingewickelt war. »Schweinebauch. Nicht mehr ganz taufrisch, aber noch genießbar. Gib’s deiner Mutter. Sie wird etwas damit anzufangen wissen.«
    Erwin griff zu und wog das Stück mit der Hand. Ein Kilo, mindestens. Schweinebauch! Ihm lief das Wasser im Mund zusammen. Doch er reichte es dem Roten zurück. »Dat kann ich nich annehmen.«
    »Quatsch nicht. Ich hab noch mehr. Lass dich nur nicht von einer Streife erwischen. Auf illegales Schlachten steht KZ.«
    Erwin zog seinen Pullover hoch, knöpfte sein Hemd auf und verstaute das Geschenk auf der bloßen Haut. Kühl fühlte es sich an, als er das Hemd wieder zurück in die Hose stopfte und den Pullover herunterzog.
    »Hast etwas zugenommen in den letzten Minuten«, grinste der Rote. Dann wurde er wieder ernst. »Ich habe einen Auftrag für dich.«
    Erwin nickte. »Wieder nach Castrop?«
    »Nein. Erle. Gelsenkirchen. Du weißt, wo das ist?«
    »Klar.«
    »Hast du ein Fahrrad?«
    »Nee. Aber ich kann mir eins leihen.«
    »Gut.« Der Rote griff erneut in den Rucksack. »Dieses Päckchen hier muss zu einer Genossin nach Erle.«
    Das Päckchen war deutlich leichter und kleiner als das, das Erwin bereits auf seinem Bauch trug.
    »Verlier es nicht. Du darfst dich damit unter keinen Umständen schnappen lassen. Hast du das kapiert?«
    »Geht klar. Wohin nach Erle soll ich dat bringen?«
    »Wenn du von Grimberg aus in die Cranger Straße in Erle kommst, ist nach etwa zweihundert Metern auf der rechten Seite eine Bude. Dort wartet morgen früh um Punkt zehn Uhr ein anderer Junge auf dich. Er hält den Stürmer unter dem Arm.«
    »Stürmer.« Erwin spuckte den Namen aus. »Dat Scheißblatt.«
    »Mach dir

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