Goldfasan
dass Peter keine Alternative hatte.«
»Tatsächlich? Was wäre ihm denn passiert, wenn er Nein gesagt hätte, als man ihm nahelegte, dieser Verbrecherorganisation beizutreten? Wäre er dann standrechtlich erschossen worden?«
»Natürlich nicht. Aber die Chance auf eine Beförderung zum Kriminalrat wäre dahin gewesen.«
»Und? Das Ganze ist vier Jahre her. Ist er Kriminalrat geworden?« Treppmann gab die Antwort gleich selbst. »Nein. Wenn sie ihn aber befördert hätten, wäre er jetzt SS-Sturmbannführer. Eine tolle Karriere, wirklich.«
»Vater, du bist unmöglich!«
Golsten legte die Zeitung beiseite. »Nee, lass mal, Lisbeth. So ganz unrecht hat er ja nicht.«
»Du nimmst ihn auch noch in Schutz?!«
»Das nicht. Aber man hat mir damals etwas vorgemacht. Was dein Vater sagt, entspricht nun mal der Wahrheit.« Golsten wandte sich an seinen Schwiegervater: »Es war aber nicht nur die versprochene Beförderung. Hätte ich nicht eingewilligt, SS-Mitglied zu werden, wäre ich möglicherweise nicht mehr im Polizeidienst. Und dann? Wovon sollten wir leben? Deine Rente ist nicht so hoch, dass du auch uns hättest damit durchbringen können.«
Hermann Treppmann brauste auf. »Du brauchst mich nicht daran zu erinnern, dass es dein Geld ist, von dem wir unser Essen kaufen. Wenn es denn auf die Lebensmittelmarken überhaupt etwas zu kaufen gibt. Trotzdem werde ich mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halten. Jedenfalls nicht in meinem Haus«, schränkte er ein. »Soweit ist es in Deutschland unter der Nazibande schon gekommen. Wer offen sagt, was er denkt, dem droht KZ. Wer die sogenannten Feindsender hört, wird gleich einen Kopf kürzer gemacht.« Er schüttelte den Kopf. »Da war es ja selbst im Kaiserreich besser. Damals wurden Sozialdemokraten für ihre Überzeugung zwar auch eingesperrt, kamen aber in der Regel mit dem Leben davon. Der Staat, dem du, mein lieber Schwiegersohn, dienst, ist ein Verbrecherstaat. Ein falsches Wort und das Volk landet unter dem Fallbeil.«
»Nun hört doch auf«, bat Lisbeth. »Immer diese Streitereien.«
»Und vor allem die SS ist und bleibt eine Mörderbande. Auch wenn mein Herr Schwiegersohn da Mitglied ist.«
Jetzt war es an Golsten, laut zu werden. »Viele meiner Kollegen von der Kripo sind in die SS eingetreten, aber deshalb sind wir noch lange keine Mörderbande. Wir sind Polizisten und tun nur unsere Pflicht!«, rief er.
»Ach ja?«, erwiderte Treppmann süffisant.
»Natürlich.«
»Und warum hängt dann diese schwarze Uniform in deinem Schrank?«
»Die ich so gut wie nie trage.«
»Das stimmt allerdings. Aber du trägst sie.«
»Wenn ich muss.«
»Warum auch immer. Und wenn du sie trägst, bist du von den anderen nicht mehr zu unterscheiden. Deine Kollegen im Übrigen auch nicht. Alle die ehrlichen deutschen Kriminalpolizisten, die nur ihre Pflicht tun. Mir wäre es lieber, es gäbe ein paar mehr von denen, die ihre Pflicht nicht tun. Oder sich genau überlegen, was eigentlich ihre Pflicht wäre.« Treppmann winkte resigniert ab und griff zu dem Glas mit Hochprozentigem, welches neben ihm auf dem Beistelltisch stand. »Aber was soll’s. Nach Stalingrad ist der Krieg verloren und die Alliierten werden uns alle gemeinsam am Arsch kriegen. Prost, Herr Hauptsturmführer.«
11
Mittwoch, 31. März 1943
S eit nunmehr fast zehn Jahren wohnte Wieland Trasse hier. Die Villa südlich der Recklinghäuser Innenstadt war früher im Besitz seines Kompagnons Königsgruber gewesen. Dieser hatte die Gerissenheit Trasses unterschätzt. So war nicht nur die Villa, sondern auch die Maschinenfabrik und vor allem das Kaufhaus Königsgrubers in Trasses Eigentum übergegangen. Trasse war dabei der Umstand zu Hilfe gekommen, dass er nicht nur über ausgezeichnete Verbindungen ins Berliner Finanzministerium verfügte, sondern als langjähriges Mitglied der NSDAP nach 1933 gute Kontakte zu den Machthabern pflegte. Und mit tatkräftiger Unterstützung der alten Kameraden hatte Königsgruber nicht nur seine Firma, sondern auch seine Villa und, was für ihn sicher noch bedauerlicher war, später auch sein Leben in einem Gestapo-Keller verloren.
Trasses Geschäfte liefen schlecht. Viele seiner früheren Zuliefererfirmen hatten auf Kriegsproduktion umgestellt und ihn von ihrer Kundenliste gestrichen. Die meisten der Waren, die Trasse in dem Kaufhaus anbot, gab es ohnehin nur auf Bezugsmarken. Große Gewinne waren da nicht zu machen. Schließlich plagte Trasse die Sorge, dass er Kaufhaus
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