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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Viele Ämter für einen einzelnen Mann. Da konnte es schon mal zu Terminüberschneidungen kommen. Saborski entschloss sich, an seinem ursprünglichen Plan festzuhalten.
    »Der Ministerpräsident hat mich durch sein Sekretariat darüber in Kenntnis gesetzt, dass Sie mit ihm über den stellvertretenden Kreisleiter unserer Partei in Herne und Castrop-Rauxel sprechen wollen?«
    »Ja. Ich weiß, dass sich Walter Munder als Hehler betätigt, möglicherweise sogar selbst Diebstähle in Auftrag gegeben hat.«
    Hedder zog eine Augenbraue hoch. »Tatsächlich? Sicher können Sie diese Behauptungen auch beweisen, Sturmbannführer.«
    »Selbstverständlich.« Der Kriminalrat zog die Unterlagen aus seiner Aktentasche und überreichte sie dem Gaustabsleiter. »Alles in zweifacher Ausfertigung.«
    Hedder warf einen Blick in die Akte, schloss sie aber gleich wieder und meinte: »Lesen kann ich die Papiere später. Tragen Sie mir bitte den Inhalt mündlich vor.«
    Saborski folgte der Aufforderung. Er berichtete vom ersten Besuch Munders in seinem Büro, von seinem Verdacht, Munders Vorleben und der Falle, die er ihm gestellt hatte.
    Hedder hörte den Ausführungen Saborskis mit wachsendem Interesse zu. »Das ergibt sich auch alles so aus diesen Unterlagen?«, fragte er dann, nachdem Saborski geendet hatte.
    »Jedes Wort.«
    Hedder stand auf und nahm die Akten an sich. »Bitte warten Sie einen Augenblick.«
    Er verließ den Raum.
    Der Augenblick dauerte erneut über eine Stunde. Dann kehrte Hedder zurück. »Ich habe die Angelegenheit mit dem Ministerpräsidenten besprochen. Und der hat sich in Berlin rückversichert. Es wird keine Anklage gegen Munder geben.«
    Saborski glaubte, sich verhört zu haben. »Ich verstehe nicht ganz …«
    »Keine Verhaftung, keine Anklage.«
    »Aber …«
    Hedder beugte sich vor und senkte unnötigerweise die Stimme. »Passen Sie auf. Sie sind nicht der Erste, der uns Material gegen diesen Munder bringt. Zugegebenermaßen sind Ihre Beweise belastender als alles andere, was uns bisher vorlag. Aber es ist derzeit nicht im Interesse der Parteispitze, einen Kreisleiter der NSDAP vor Gericht zu stellen. Diese Angelegenheit muss anders gelöst werden. Sie verstehen, Sturmbannführer?«
    Saborski verstand nicht. Wollte nicht verstehen.
    »Dann muss ich deutlicher werden. Munder hat in unserer Partei nichts mehr zu suchen. Er hat seine Kompetenzen in einer Art und Weise missbraucht, die eines Nationalsozialisten unwürdig ist. Aber wir wollen kein Aufsehen. Nicht das Geringste darf an die Öffentlichkeit. Munder könnte doch beispielsweise verunglücken. Ein bedauernswerter tödlicher Unfall. Lassen Sie sich etwas einfallen.«
    Damit hatte Saborski nicht gerechnet. Er schluckte. »Soll ich das als Befehl auffassen?«
    »Wie hat es sich denn Ihrer Meinung nach angehört?«
    »Bekomme ich den Befehl schriftlich?«
    Hedder lachte auf. »Das meinen Sie doch wohl nicht im Ernst. Was ist? Haben Sie etwa Schiss, Sturmbannführer? Das hätten Sie sich eher überlegen sollen. Sie haben den Stein ins Rollen gebracht. Jetzt geben Sie ihm auch die korrekte Richtung. Haben Sie einen vertrauenswürdigen Mitarbeiter?«
    »Ja.«
    »Gut. Aber auch er darf den Auftrag nicht schriftlich erhalten. Wo wir bei dem Thema wären: Wie viele Durchschläge dieser Akte existieren?«
    »Zwei … Nein, drei.«
    Hedder streckte die Hand aus. »Her damit.«
    Gehorsam übergab ihm Saborski sein persönliches Exemplar.
    »Also, wie gesagt. Kein Aufsehen. Ein Unfall. Der Gauleiter wünscht, dass diese Angelegenheit in spätestens zwei Wochen erledigt ist. Wenn nicht …«
    Saborski verstand die Drohung, ohne dass sie ausgesprochen wurde. Es ging auch um seinen Hals.
    Hedder erhob sich. »Sie finden den Ausgang allein? Heil Hitler, Sturmbannführer.«
    36
    Montag, 19. April 1943
    G olsten war eine Woche außer Gefecht gesetzt gewesen. Dem Besuch in der Rechtsmedizin war eine fiebrige Erkältung gefolgt, die ihn ans Bett gefesselt hatte. Heute war er, entgegen den Mahnungen seiner Frau, ins Büro gegangen. Er fühlte sich zwar tatsächlich noch ein wenig schwach, hatte aber begonnen, sich zu Hause zu langweilen.
    Auf seinem Schreibtisch fand sich ein kurzer, handschriftlicher Vermerk Saborskis. Habe Bericht gelesen, dass Polin tot aufgefunden wurde. Suche nach dem Täter hat momentan keine Priorität. Kümmern Sie sich um den toten Säugling.
    So etwas in dieser Art hatte Golsten erwartet. Solange Marta Slowacki als verschwunden gegolten hatte,

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