Goldfieber
zu wollen.
85. Kapitel
»Es ist eine völlig andere Stadt.«
Tinnie fühlte es auch, obwohl es nicht ins Auge fiel. Es gab genug Menschen, die hart arbeiteten und die Dinge erledigten, die erledigt werden mussten, um eine Stadt am Laufen zu halten. »Niemand spricht mit niemandem.«
Sie hatte Recht. Und das war noch nicht alles. Die Leute waren alle sorgfältig darauf bedacht, niemandem den Rücken zuzuwenden, der nicht einen ähnlichen ethnischen Hintergrund hatte.
Es war eine misstrauische Stadt. Alle schienen darauf zu warten, dass etwas Großes passierte. Und zwar vermutlich sehr bald.
Die Aktivitäten Des RUFs waren nicht ganz der gewaltige Fehlschlag gewesen, den die Jungs im »Dudelsack« beschrieben hatten. Die Welt wartete darauf, dass der andere Schlag fiel. Wenn Adolph das herausbekam …
Ich war zwar aufmerksam, aber nicht übermäßig. Ich ließ mir alles durch den Kopf gehen und versuchte, einen Zipfel Sinn zu erwischen. Aber leider würde der Sinn nicht in einem einzigen, stinkenden Klumpen ans Tageslicht kommen, ganz gleich wie sehr ich auch zog und herumstocherte und die üblichen Regeln ignorierte. Das alles konnte nur dann annähernd einen Sinn ergeben, wenn ich annahm, dass zwei oder mehr Dinge gleichzeitig vorgingen. Aber etwas in mir wollte, dass es eine einzige, große Sache war, die ich nur nicht richtig sehen konnte.
»Du bist der gemeinsame Faktor«, erklärte Tinnie.
»Was?« Ich sah mich um. Wir näherten uns dem Besitz der Tates.
»Du hast leise vor dich hin geredet. Übrigens machst du das ganz gut. Du hast sicher eine große Zukunft als Penner vor dir. Die Garderobe hast du ja schon.«
Der Gottverdammte Papagei gab einen erschreckten Schrei von sich, der eher dem einer Saatkrähe als dem eines Königspapageis glich. Er stieg auf und flatterte davon. »Was soll das denn?«, schrie ich. Konnte ich so viel Glück haben?
»Wie hast du ihn aufgeweckt?«, fragte Tinnie.
»Das weiß ich nicht.« Aber ich hatte einen Verdacht, was hinter seiner Aufregung steckte. Was ist groß, sitzt im Dunkeln und atmet nicht viel? »Ich bin zwar vielleicht der gemeinsame Faktor«, sagte ich, »aber ich bin erst nach den Ereignissen ins Spiel gekommen.« Der Gottverdammte Papagei verschwand zwischen zwei Gebäuden. »Bei meinem Glück wird ihn sicher nichts erwischen.«
»Kommst du mit rein?«, fragte Tinnie und lächelte. Sie wusste, dass ich Onkel Willard aus dem Weg gehen wollte.
»Ich muss wieder zu dieser Bibliothek zurück.« Wir gingen über die Straße. Mir fiel auf, dass die meisten Leute in großen Gruppen umhergingen und mehr Waffen zu sehen waren als sonst. Einige davon waren ziemlich illegal.
»Du vermisst wohl schon Tama Montezumas knochigen Hintern, was?«
»Hat sie einen knochigen Hintern? Das ist mir noch gar nicht aufgefallen. Ich sehe niemand anderen an als dich.« Ich vermasselte es, als ich nicht umhin konnte, die beiden entzückenden Zwillinge zu sehen, die das Tate-Anwesen verließen.
»Wenn du aufhörst zu zittern und den Knoten aus deiner Zunge herausbekommst, könntest du es ja vielleicht mit etwas Überzeugenderem versuchen.«
»Mist.« Direkt hinter den Zwillingen ging Tinnies Kusine Rose, die mit den beiden plauderte. Rose ist eine Brünette und genauso hinreißend wie ihre Kusinen, aber sie hat Spinnen und Schlangen in ihrem Kopf. Ihr Gesicht leuchtete wie ein Scheiterhaufen, als sie mich sah. »Hier kommt Ärger auf uns zu«, sagte ich.
»Sie ist gar nicht so übel, wenn du sie erst mal verstehst«, erwiderte Tinnie. »Sie wird versuchen, eine große Sache daraus zu machen, dass ich mit dir zusammen war, aber Onkel Willard wird sagen: ›Na und?‹, und sie wird abzischen und schmollen.« Sie küsste mich, lange und ganz und gar unschwesterlich. »Sei vorsichtig. Komm bald vorbei. Und halt dich von fremden Frauen fern.«
»Was denn jetzt? Entscheide dich.« Ich erwiderte den Kuss. Rose war entsetzt und entzückt. »Ich werde nicht lange brauchen.« Ich hoffte nur, dass die Umstände mich nicht Lügen straften. Das passierte mir nämlich immer häufiger.
86. Kapitel
Ich ging vorsichtig nach Hause. Ich hatte keinen Schatten mehr wahrgenommen, seit wir den Wald verlassen hatten, aber ich hatte mich auch an die Idee gewöhnt, dass mir jemand folgen konnte, ohne dass ich ihn dabei erwischte. Dennoch gefiel mir diese Vorstellung überhaupt nicht.
Mehr noch bekümmerte mich aber die neue Bösartigkeit auf den Straßen. Der Ärger hat so eine Art,
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