Goldfieber
mir klappte beinahe der Unterkiefer aus dem Gelenk. Eine kleine, aber höchst bedeutsame Tatsache war soeben aufgetaucht. »Belinda, du warst bei Morpheus, seit wir dich aus dieser Gruft befreit haben?«
»Ich habe fast nur geschlafen.«
»Aber du warst mit deinen Leuten in Verbindung?«
»Soweit es nötig war.«
»Was ist mit Adolph Sankt Norden?«
»Sankt Norden? Warum sollte ich …?«
»Moment.« Ich hob meine Pfote und ließ mein Gehirn eine Minute vor sich hin humpeln. »Der RUF hat gestern Nacht versucht, die Große Säuberung durchzuziehen.«
»Die ist im Sande stecken geblieben«, erklärte Morpheus und zeigte uns seine spitzen, scharfen Zähne. Anscheinend war er nicht sonderlich traurig darüber.
»Während der Rest seiner Bande sich damit vergnügt hat, Köpfe einzuschlagen und Ladentüren einzutreten, hat sich Adolph Sankt Norden nach Norden an den Rand der Elfenstadt begeben und erwartet, dort Belinda für ein nächtliches gemeinsames Schäferstündchen vorzufinden.«
»Was?«, bellte sie. »Wie kommt dieser Kerl dazu …?«
»Er hat eine Botschaft bekommen. Darin stand, dass du ihn dort erwarten würdest. Er hat sie für echt gehalten.« Ich selbst hatte sie ja auch für echt gehalten, als er mir davon erzählte. »Manchmal fallen Männer auf ihre eigenen Wunschträume herein.« Hätte ich an ihren Zustand gedacht, hätte ich eigentlich sofort Verdacht schöpfen müssen, als Sankt Norden es erwähnte. Ihre Familie besaß tatsächlich Immobilien in der Gegend. Es war ein durchaus geeigneter Ort, wenn man vorhatte, es geheim zu halten. Und das hatte Adolph ganz offensichtlich im Sinn gehabt. »Als er dort ankam, versuchte eine Bande, die wie Rechts-Aktivisten gekleidet war, ihn umzubringen. Sie wurden von einer Horde Zwerge gestört, die nur darauf gewartet hatten, Rechts-Aktivisten verprügeln zu können.«
»Eine köstliche Ironie«, bemerkte Morpheus mit vollkommen unbewegtem Gesicht.
»Das fand ich auch.« Ich rang mir ein Lächeln ab. Die erste schwache Wirkung des Tees kribbelte in meinen Fingerspitzen und linderte den Kopfschmerz ein wenig. »Es gibt einen gemeinsamen Faktor bei all dem«, sagte ich. »Wie verwirrend er auch sein mag. Gestaltwandler. Alle sind offenbar Mitglieder einer Gruppe von Söldnern, die einmal als Schwarzer Drache Valsung bekannt waren.«
»Was ist mit Beutler und Sattler?«, wollte Belinda wissen. »Die beiden sind keine Gestaltwandler.«
»Vielleicht denke ich noch nicht so klar, wie ich mir vorgestellt habe.« Meine Kopfschmerzen pochten einen Moment besonders heftig. Vermutlich schickten mir Beutler und Sattler aus ihrer Zelle alles Böse, vorausgesetzt, sie waren überhaupt noch kräftig genug, um sich etwas wünschen zu können. »Sie wurden von Gestaltwandlern angeheuert.« Das sagte ich nur, um meine Theorie am Leben zu erhalten.
»Oder von jemandem, der auch die Wandler angeheuert hat«, warf Morpheus ein. Er wusste, dass er damit eine Wendung der Beweislage herbeiführte, die mir gar nicht passte.
Ich knurrte. »Vergesst nicht, dass Glanz Großmond hier irgendwo herumschleicht. Davon bin ich fest überzeugt.« Der Anblick dieser Zentauren hatte mich darauf gebracht. Organisierte, disziplinierte und militärisch gedrillte Zentauren hatten immer etwas mit Glanz Großmond zu tun. Kein anderer Kommandeur war jemals im Stande gewesen, ihre Aufmerksamkeit lange genug zu fesseln, um ihnen militärische Tugenden andrehen zu können. Und kein anderer Hauptmann hatte sie jemals dazu bewegen können, für Ideen zu kämpfen statt für Beute.
Pular Singe trippelte unauffällig ins Zimmer zurück. Ich fragte mich, was wohl aus Fenibro geworden sein mochte. Vielleicht hatte sie ja den Entschluss gefasst, dass sie auch ganz gut ohne Freund auskommen konnte. Ich wartete immer noch darauf, dass ihr angebliches Handikap sie irgendwie behinderte. »Die Beobachter sind dem Kleiderpaket gefolgt.« Sie sprach langsam und deutlich. Und genauso gut wie Fenibro. Sie war ziemlich stolz auf sich. »Ich habe keine Schwierigkeiten, ihnen zu folgen. Bei einem gibt es allerdings ein Problem: Er hinterlässt keine Spur.«
Ich sah Morpheus stirnrunzelnd an. Er zuckte mit den Schultern.
»Es sollte nicht lange dauern, bis sie merken, dass Paddel nicht Garretts Knochen in dem Sack hat«, meinte Belinda.
»Verstehe. Kannst du gehen, Garrett?«
»Im Kreis schon.«
»Derjenige, der keine Spur hinterlässt, ist wie derjenige, der so getan hat, als wäre er …« Pular Singe
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