Goldfieber
verabreichte ihr eine gewaltige Portion. Offensichtlich bekam sie zu Hause nicht viel davon. Rattenmänner behandeln ihre jungen Weibchen nicht gut.
Jeder braucht jemanden, auf den er herabblicken und den er schlecht behandeln kann. Man könnte sich fragen, wer da für die jungen Rattenfrauen übrig bleibt.
Später knurrte ich: »Die beiden wollen wohl zur Arktis.« Wir hatten bereits einige Meilen hinter uns und das fiebernde Herz der Geschäftsstadt längst verlassen. Wir näherten uns einer Gegend, die man das Kavalleriefeld nannte. Vor Jahrhunderten, als die Bürgermiliz noch TunFaires einzige Armee war, hatten die berittenen Truppen dort ihre Übungen für die kleineren Scharmützel mit den benachbarten Stadtstaaten abgehalten. Damals lag die Ebene noch vor den Stadtmauern. Später wurde die Mauer vergrößert und das Feld eingeschlossen, damit es im Falle einer Belagerung als Biwak genutzt werden konnte. Dann fingen sie an, gefallene Soldaten dort zu begraben, bis es schließlich zu einem gewaltigen Friedhof umfunktioniert wurde. Heutzutage wird es nicht mehr viel genutzt und ist zu einem endlosen Zankapfel geworden. Diejenigen, die dort bauen wollen, verweisen darauf, dass Baugrund innerhalb der Stadtmauern viel zu kostbar sei, um ihn an Leute zu verschwenden, die längst tot und von ihren eigenen Nachfahren vergessen waren. Diese Nachfahren widersprechen dem erbittert. Die konservative Haltung hat bisher die Oberhand behalten, aber nur, weil viele der Toten alte Helden waren oder zur kaiserlichen Familie gehörten. Aber angemessene Bestechungsgelder könnten diese Opposition möglicherweise irgendwann zum Schweigen bringen.
Der Friedhof ist jetzt wieder ein Biwak, in dem raue Lieder ertönen und eine grobe Zeltstadt von den Flüchtlingen zusammengezimmert worden ist. Das gefällt den Nachbarn nicht besonders, die mehr als die restliche Bevölkerung unter Gewalttätigkeiten zu leiden haben. Entsprechend höher ist hier auf dem Feld die Popularität Des RUFs.
Die Atmosphäre auf dem Friedhof war von Vorsicht und Anspannung geprägt. Es war nicht sonderlich hell. Man bekam kaum noch kostenloses Lampenöl. Mir war etwas unbehaglich zu Mute, weil ich nicht daran gedacht hatte, eine Laterne mitzubringen. Der Mond war auch keine große Hilfe. Singe jedoch brauchte offenbar nicht mehr Licht.
Die Behausungen der Besetzer belegten jedes freie Stückchen Erde. Es sind ziemlich schmutzige Leute. Sie stinken. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich die ersten Seuchen ausbreiteten. Und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Straßenkämpfe auch auf das Lager übergriffen.
»Stehen bleiben«, sagte ich zu Pular Singe. Ich unterstrich meine Worte mit einer Handbewegung. Sie blieb stehen und musterte mich mit einer beunruhigenden Intelligenz. Ich vermutete, dass ihr Hörproblem weit geringer war, als Reliance gedacht hatte. Wie auch immer, sie verstand meine Taubstummensprache jedenfalls sofort, obwohl ich ein wenig eingerostet war. Es war schade, dass Singe Probleme mit der Umgangssprache hatte. Ich gewann nämlich den Eindruck, dass sie durchaus Sinn für Humor hatte.
Sie musste eine Art Mutantin sein.
»Morpheus, wäre dieses verpestete Lager nicht ein perfektes Versteck?«
Die Leute um uns herum bewegten sich, aber sie suchten nach nichts, was sie hätten benennen können. Bewegung an sich war ihr Ziel.
Die Population der Lagerleute bestand aus einer explosiven Mischung aller möglichen Flüchtlingsrassen. Ich sah Kreaturen, die so exotisch waren, dass sie sich selbst unheimlich vorkommen mussten.
»Absolut«, erwiderte Morpheus. »Man müsste schon ein wolliges Mammut sein, um hier aufzufallen.«
»Wird die Fährtensuche schwerer?«, fragte ich Singe.
Sie schüttelte den Kopf. Das war eine menschliche Geste, die unter Rattenleuten nicht üblich war. Pular Singe versuchte sich tatsächlich an menschlichen Sitten.
»Es ist schwierig«, erklärte Fenibro, »aber sie kann die Fährte herausfiltern.«
»Sie ist wirklich verblüffend.«
»Das ist sie. Es gibt immer noch Blut zu riechen.«
Ich hatte seit einigen Meilen kein Blut mehr gesehen.
»Sie sagt jedenfalls eine Menge mit einem Kopf schütteln«, erklärte ich.
»Ihr Freund versucht offenbar auch, sein Talent herauszustellen«, murmelte Morpheus.
»Und das wäre?«
»Menschensprache.«
»Oh. Glaubst du, dass wir an der Nase herumgeführt werden?«
»Willst du mich damit fragen, ob Beutler und Sattler Belinda geschnappt haben,
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