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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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normalerweise die Helden willkommen geheißen, die aus einer Schlacht zurückgekehrt sind«, erzählt Cacama in harmlosem Tonfall. »Aber seit Langem heißt der Platz nur noch Malcuitlapilco , ›das Ende der Gefangenenkolonne‹. Als nämlich vor gut dreißig Jahren die große Huitzilopochtli-Pyramide im Herzen von Tenochtitlan eingeweiht wurde, da reichte die Schlange der Gefangenen, die zu ihrer Opferung anstanden, gerade bis hierher.«
    Diego und ich wechseln einen Blick. Nicht einmal er kann seine Bestürzung sogleich verbergen. Es war eine Drohung, das ist uns beiden klar – die Drohung, dass es uns genauso ergehen könnte.
    »Diese stinkenden Teufelsanbeter!«, beginnt Portocarrero wieder einmal loszuschreien, nachdem Marina übersetzt hat. Doch Cortés gebietet ihm mit einer Handbewegung zu schweigen.
    »Der Große Montezuma!«, sagt Cacama und tritt ehrerbietig zur Seite.
- 2 -
    Von der Stadt her bewegt sich die feierliche Prozession auf uns zu. Ihren Mittelpunkt bildet eine Sänfte von den Ausmaßen eines seetüchtigen Frachtschiffs, die mit einem Baldachin aus grünen Federn überdacht ist. Die Sänfte ist mit Gold- und Silberstickereienverziert, mit Blumengirlanden und Goldketten geschmückt. Die sechs Träger schauen so hochnäsig drein und tragen so kostbare Umhänge aus schimmernd weißem Tuch, dass sie selbst mindestens Prinzen sein müssen. Ihnen voran schreitet ein junger Adliger, der einen mit Gold und Edelsteinen verzierten Stab trägt – eine Art Zepter, wird mir klar.
    Die Sänfte schwebt durch das Tor zu uns auf den Platz heraus und wird einige Schritte vor Cortés abgesetzt. Ein schlanker, doch kräftig gebauter Mann steigt heraus, ungefähr so alt wie unser Herr und etwa auch so groß gewachsen. Er trägt einen Umhang, der mit goldenen Stickereien verziert ist, einen hoch aufgetürmten Kopfschmuck aus türkisfarbenen Federn und vergoldete Sandalen, die mit Edelsteinen übersät sind. Sein Gesicht ist ernst, aber offen und freundlich. Allerdings wird es durch einen Pflock aus türkisblauem Stein entstellt, der seine Unterlippe durchbohrt. Auch seine Ohrläppchen sind von solchen Pflöcken verunziert und türkisfarbene Ornamente glitzern in seinen Nasenflügeln.
    Unser Herr steigt von seinem Pferd und eilt Montezuma entgegen. Beide wirken bewegt, ja aufgewühlt. Cortés breitet seine Arme aus – anscheinend will er den Aztekenherrscher mit einer ritterlichen Umarmung begrüßen. Doch der Adlige mit dem Edelsteinstab tritt ihm in den Weg und zischt einige Silben hervor.
    »Reicht ihm die Hand, Herr!«, übersetzt Marina.
    Cortés macht noch einen Schritt auf sein Gegenüber zu. »Seid Ihr es wirklich, Montezuma?«, fragt er.
    Der reich Geschmückte neigt bejahend seinen Kopf. Einen Augenblick lang kommt er mir fast verlegen vor, aber das bilde ich mir bestimmt nur ein. Dabei hätte er einen guten Grund, um bei dieser Frage peinlich berührt zu sein.
    Noch vor drei Tagen, als wir vom Kamm der Hochebene aus schon den See mit der großen Stadt unter uns im Tal schimmern sahen, da versuchte Montezuma ein letztes Mal, uns voneinem Besuch in Tenochtitlan abzuhalten. Er schickte uns einen adligen Azteken, der sich als der Große Montezuma ausgab und weitere Goldgeschenke mitbrachte. Nun, da unser Herr ihn von Angesicht gesehen habe, erklärte er, könnten wir auch wieder auf unsere schwimmenden Inseln steigen und in das Land zurückkehren, aus dem wir gekommen seien. Doch Prinz Xicotencatl, der Anführer unserer tlaxcaltekischen Verbündeten, lachte ihm ins Gesicht und rief aus, er habe Montezuma schon mehr als einmal gesehen und wisse ganz genau, dass dieser da sich nur als Aztekenherrscher ausgebe. Da entriss Portocarrero dem falschen Montezuma die goldenen Schmuckstücke und Sandoval jagte ihn und sein Gefolge mit gezogenem Schwert davon.
    »Ich verbeuge mich vor Euch und küsse Euch die Füße«, sagt nun der echte Montezuma zu unserem Herrn.
    Marina übersetzt diese erstaunlichen Worte, fügt jedoch gleich hinzu: »Das sagt man so bei uns. Er würde das eine wie das andere niemals tun.«
    Cortés zieht eine Schatulle mit drei pflaumengroßen blauen Perlen hervor und winkt Cuitlalpitoc herbei. »Überreiche dieses Geschenk deinem Herrn!«, befiehlt er, und der unglückliche Gesandte beeilt sich zu gehorchen. Vor drei Tagen, als jener falsche Aztekenherrscher bei uns erschien, beteuerte auch Cuitlalpitoc zuerst, dass es der wirkliche Montezuma sei. Portocarrero hatte seine Hände schon um

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