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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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die Stadt, und am Ende unserer Kolonne beginnen die Tlaxcalteken aufs Neue, markerschütternd zu schreien und zu trillern. Für sie muss es ein ungeheurer Triumph sein, in die Stadt ihrer unerbittlichsten Feinde einzuziehen. Doch auch ihnen kann nicht ganz wohl sein bei dem Gedanken, dass sie nicht einmal zweitausend Krieger zählen – und Montezuma allein hier in Tenochtitlan fünfzigtausend Mann unter Waffen haben soll!
    Unsere totonakischen Verbündeten hat Cortés in Cholollan mit Geschenken überhäuft und nach Hause zurückgeschickt. Ein Teil von mir beneidet ihren Häuptling Mamexi, weil er mit den Seinen rechtzeitig das Weite suchen konnte – doch der weitaus stärkere Teil von mir kann es kaum erwarten, endlich die Pracht und den Reichtum von Tenochtitlan mit eigenen Augen zu sehen.
    Und jene kühle Stimme in meinem Innern flüstert: »Was kann dir schon passieren? Du bist der Page von Quetzal-Cortés! Niemand wird es wagen, dir auch nur ein Härchen zu krümmen.«
- 3 -
    Die Straße ins Innere der Hauptstadt ist von zweigeschossigen Häusern gesäumt. Ihre Fassaden sind weiß getüncht und mit Tier- oder Pflanzenmustern bunt bemalt. Zwischen den Bauwerken erstrecken sich kleine Gemüsebeete und hinter den Häusern zur Rechten der Straße glitzert der See. Kanus jagen über das Gewässer oder treiben gemächlich dahin. Einige von ihnen sind so lang wie hundertjährige Bäume und bieten fünfzig oder sogar sechzig Ruderern Platz. Andere sind so schwer beladen, mit Mais oder Brennholz, Tuchballen oder Netzen voll zappelnder Fische, dass die Ruderer sie kaum mehr voranbewegen können.
    In jedem Tor, jedem Fenster drängen sich Menschen, doch niemand sagt ein Wort. Auch auf den Flachdächern sämtlicher Häuser kauern die Indianer in reglosen Klumpen und starren zu uns herab. Vielleicht ist es bei ihnen ja Brauch, in der Nähe ihres Herrschers ehrerbietig zu schweigen – aber ich spüre, dasssie sich nicht deshalb so still verhalten. In ihren Gesichtern kann ich lesen, dass wir ihnen unheimlich sind. Sie scheinen eine Art Grauen vor uns zu empfinden, so als wären wir Teufel – dabei sind wir doch gekommen, um sie von ihren teuflischen Götzen zu befreien! Und allerdings auch von dem Gold, das in dieser Stadt gewiss in größeren Mengen gehortet wird als irgendwo sonst in der Welt.
    Bald schon weichen die einfachen Häuser prachtvollen Palästen, die sich drei- und viergeschossig in die Höhe türmen. An beiden Seiten säumen Gehwege die Straße, die zur Mitte hin abfällt und an ihrer tiefsten Stelle von einer Rinne durchzogen ist. Die Fassaden der Paläste sind mit Reliefmustern geschmückt und kunstvoll bemalt. Bewaffnete Wächter stehen vor den Toren und halten mit starren Gesichtern ihre schwarz gezähnten Holzschwerter in die Höhe, als Montezuma in seiner Sänfte an ihnen vorüberschwebt.
    »Ihr habt ein häupterreiches Gefolge, Don Hernando«, sagt Montezuma zu unserem Herrn, während wir auf einen quadratischen Platz von ungeheuren Ausmaßen zumarschieren. »Aber der Palast, den wir für Euch vorbereitet haben, bietet Platz für alle Eure Hauptleute und Soldaten, Diener und Sklaven. Und notfalls noch für etliche mehr.«
    Er geleitet uns zu einem gewaltigen Bauwerk an der vorderen Stirnseite des großen Platzes. Der Platz misst in der Länge wenigstens vierhundert Schritte und an seinem anderen Ende ragt eine gewaltige Pyramide in den Himmel empor. Eine Vielzahl weiterer Bauten von kolossalen Ausmaßen säumt den Platz, und sie alle sind so strahlend weiß wie der marmorartige Belag, der die weite Fläche zwischen den Palästen überzieht. Nur die Pyramide dort drüben hebt sich dunkel, fast schwarz von der schimmernd weißen Umgebung ab.
    Mit einem plötzlichen Schauder wird mir klar, dass es die Huitzilopochtli-Pyramide sein muss, auf deren First damals achtzigtausendMenschen hingeschlachtet wurden. Dieser dunkle Überzug auf den mehr als hundert Stufen, schießt es mir durch den Kopf – das sind unzählige Schichten von getrocknetem Menschenblut! Wenn es nach König Cacama von Texcoco oder nach Montezumas Bruder Cuitláhuac ginge, würden sie bei der nächsten Gelegenheit auch noch unser Blut da oben auf der Pyramide ihres gierigen Kriegsgottes vergießen! Und wer weiß schon, ob Montezuma nicht insgeheim genauso denkt? Vielleicht verstellt er sich ja und hat uns nur deshalb hierhergelockt, weil seine Stadt die unentrinnbarste Falle auf der ganzen Welt ist!
    Was für ein Wahnsinn!, denke ich und

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