Goldfieber
unten in ihrem Versteck geblieben«, sagt Carlita, »aber dieses Bildnis ist doch auch sehr schön, oder?«
»Es ist wunderschön«, antworte ich. »Aber du bist noch tausendmal schöner, Liebste!«
»Ich bin vor allem tausendmal dreckiger!«, ruft Carlita aus und zieht mich wieder die Treppe hinab. »Bevor wir in den Tempel dürfen, müssen wir uns säubern.«
Noch auf dem Weg zur Quelle fangen wir an, uns gegenseitig auszuziehen. Unsere Gewänder sind mit Staub und Spinnweb überzogen, genauso wie unsere Haare. Meine Stiefel sind triefnassvon der schlammigen Brühe, durch die wir in den Geheimgängen gewatet sind. Aber mit jedem Kleidungsstück, das wir von uns werfen, lassen wir auch ein wenig von den Schrecken und der Mühsal der letzten Tage hinter uns. Als wir schließlich in die Mulde voll herrlich klarem Quellwasser tauchen, fühle ich mich so leicht und unbeschwert wie seit langer, langer Zeit nicht mehr.
An einem Baum neben der Quelle hängen Tücher und Gewänder für uns bereit. Im Gras liegen Ananas und Melonen, Kokosnüsse und Bananen, alles frisch gepflückt und liebevoll arrangiert. »Ich habe immer noch Angehörige und Freunde hier in der Stadt«, sagt Carlita. »Sie haben auf meine Bitte hin alles hier vorbereitet, und sie werden auch jemanden schicken, um dich zu fragen, wenn die Zeit gekommen ist.«
Um mich was zu fragen? Wenn die Zeit wofür gekommen ist? Dunkel ahne ich, was diese Rätselworte bedeuten sollen. Als mich Carlita an sich zieht, lasse ich mir bereitwillig meine Lippen mit einem Kuss verschließen.
Wir umarmen und streicheln einander, wir waschen uns gegenseitig und bespritzen uns mit dem Quellwasser, das angenehm warm und doch köstlich erfrischend ist. »Fühlst du, wie rasch mein Herz schlägt?«, frage ich und lege ihre Hand auf meine linke Brustseite, wie damals, als Montezumas Magier unser Hüttendorf unten am Meer verzauberten.
Doch diesmal ist es Carlita, die mich verzaubert – Carlita und ihre Göttin Xochiquetal, deren Lächeln diese liebliche Stätte bescheint.
»Und fühlst du auch mein Herz, Liebster?«, fragt Carlita.
Ich beginne sogleich, mit meinen Händen und Lippen ihre Herzgegend zu erkunden.
»Nicht so stürmisch!«, flüstert meine Hohepriesterin. »Jetzt sind wir gereinigt und dürfen ihren Tempel betreten.«
Wenig später liegen wir auf dem duftenden Bett aus Heu und Blumen vor Xochiquetals Altar. Der Mond scheint silbern zuuns herein. Wir flüstern uns Liebesschwüre zu und füttern uns gegenseitig mit den köstlichen Happen, die Carlitas Verwandte und Freunde rund um unser Liebeslager für uns bereitgestellt haben.
Wie oft habe ich mir ausgemalt, wie es sein mag, Carlita in dieser Weise zu umarmen! Auch für sie ist es das erste Mal und so sind wir beide anfangs etwas ängstlich und stellen uns ziemlich unbeholfen an. Aber wir lernen rasch dazu, und wir sind unersättlich – wir beide spüren ja, wie uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Wir sind wie Verdurstende, die gierig einer vom anderen trinken, wie Verhungernde, die einander am liebsten lebendig verschlingen würden – damit nichts und niemand uns je wieder entzweien kann!
So vergeht die Nacht und der nächste Tag. Wir lachen miteinander und küssen uns, wir baden in der Quelle und kräftigen uns mit Ananasschnitzen und Kokosnussmilch. Carlita erzählt mir von den Zeremonien zu Ehren der Liebesgöttin und zeigt mir einige rituelle Tänze. Ich muss mit ihr tanzen, und da es Liebestänze sind, landen wir schließlich wieder auf unserem Lager aus Blumen und Heu. Und so vergeht auch die nächste Nacht und ein weiterer Tag.
»Ich bin so froh«, sagt Carlita, »dass uns zumindest diese Frist geschenkt worden ist.«
»Wie meinst du das?«, frage ich beunruhigt. Plötzlich fallen mir auch ihre Rätselworte wieder ein: Wenn die Zeit gekommen ist, würden ihre Freunde jemanden zu uns schicken, um mich zu fragen.
Sie verschließt meinen Mund mit ihren Lippen – noch einmal, ein letztes Mal! Ich spüre es nun auch: Es geht zu Ende, Carlita, auch mit unserer Zweisamkeit!
»Immer, immer werde ich dich lieben«, flüstere ich irgendwann später atemlos.
Carlita weint. Sie gibt nicht den leisesten Schluchzer von sich,aber ich sehe, dass sie weint. Dabei ist längst wieder die Nacht hereingebrochen, doch die Mondsichel spiegelt sich in den Tränenschleiern auf ihren Augen.
»Hörst du, Liebster?«, haucht sie. »Er kommt! Welche Botschaft mag er bringen?«
»Wer?«, frage ich. »Wen meinst
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