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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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schwarz wie die Seelen der »Räuber und Mörder«, die wir in den Augen von Carlitas Cousin sind. Und in den Augen fast aller anderen Azteken wohl auch.
    Ich renne an unserem Hauptheer vorbei, überhole Bataillon um Bataillon, bis ich endlich zu Cortés aufgeschlossen habe. Von seinem Pferd schaut er starr zu mir herunter und befragt mich stumm: Wo warst du, Orteguilla? Wir dachten schon, du wärest tot!
    Ganz im Gegenteil, antworte ich ihm mit meinen Blicken. Zwei Tage und zwei Nächte lang war ich so lebendig, so von Liebe und Lebendigkeit erfüllt wie niemals vorher.
    Von beiden Seiten des Dammwegs kommen nun Kanus herbeigeschossen – ich höre sie mehr, als dass ich sie im nebligen Dunkel erkennen kann. Die Ruder klatschen ins Wasser, die schlanken Boote zerpflügen mit leisem Zischen die Fluten – und dann prasseln Hagel von Pfeilen auf uns hernieder!
    »Den Steg her – schnell!«, schreit Sandoval. »Die Hunde haben tatsächlich den Damm blockiert!« Vorne wird geflucht, und das Holztrumm kracht auf den Boden, dass der Damm erzittert. »Vorsicht!«, schreit der »Tollkühne«. »Wenn der Steg zu Bruch geht, sind wir verloren!«
    Neben und hinter uns schwingen sich unzählige Azteken ausihren Kanus auf den Damm. Sie schwingen ihre steinern gezähnten Knüppel und nach kürzester Zeit liegen um mich herum fünf unserer Männer am Boden! Ihre Köpfe sind zerbrochen, das Blut schwappt nur so hervor – und mir wird blitzartig klar, welchen Befehl Cuitláhuac seinen Kämpfern erteilt haben muss: Schlagt die Bärtigen tot! Versucht nur nicht, Gefangene zu machen! Schlagt sie tot, wie es Räubern und Mördern zukommt – mit dem Knüppel auf ihre Köpfe!
    Unsere Gewehrschützen laden ihre Waffen, drücken ab – doch es erklingt nur ein jämmerliches Klacken. Bei Regen wird das Schießpulver feucht und so sind auch noch unsere Feuerwaffen unbrauchbar.
    Ich renne weiter und schaffe es endlich, zu der Gruppe der Frauen, Priester und Pagen aufzuschließen. »Wo kommst du denn her?«, schreit Diego und haut mir auf die Schulter. Ich tätschele ihm den Arm. »Ich bin so froh«, schreie ich zurück, »dass du noch lebst!«
    Wir rennen über den Steg, den Sandoval und seine Männer über die Lücke im Dammweg gewuchtet haben. Wir lassen das Stadttor hinter uns und um uns herum ist nur noch der weite, nachtdunkle See. Nebel wallt über das Wasser und im Schutz der wabernden Schwaden kommen unzählige weitere Kanus herangejagt. Wieder prasseln Hunderte Pfeile auf uns herab. Ich ducke mich hinter Diegos Schild. Von allen Seiten wird jetzt gerufen und geflucht und geschrien. Schwerter klirren, Knochen knacken, Knüppel krachen auf Eisen oder Fleisch. Die Indianer stoßen ihre markerschütternden Kriegsschreie aus, und unsere Männer schreien vor Wut oder vor Schmerzen, wenn sie von einem Pfeil oder einem gezähnten Knüppel getroffen worden sind.
    Ich wende mich um und sehe, dass auch Cortés die bewegliche Brücke hinter sich gelassen hat. Er treibt Escobar mit energischen Armbewegungen an, doch die vier Pferde sind so schwer bepackt, dass sie nur mühsam einen Huf vor den anderen setzenkönnen. Der See links und rechts von uns wimmelt mittlerweile vor Kanus.
    »Macht schon!«, schreit Sandoval. »Holt den Steg!«
    »Aber die Nachhut ist noch weit zurück!«, schreit irgendwer.
    »Die sollen sehen, wie sie zurechtkommen!«, antwortet der »Tollkühne«. »Alvarado hat uns das alles hier schließlich eingebrockt! Los jetzt!«
    Tatsächlich schaffen es seine Männer irgendwie, in dem Chaos aus Toten und Verletzten, im Hagel der Pfeile und Speere, im Wirrwarr unserer panisch vorandrängenden Soldaten die tonnenschwere Brücke bis zur Spitze unseres Zugs zu schleppen. Auf Sandovals Kommando senken sie den Steg über die nächste Bresche. Abermals rennen und reiten wir alle darüber hinweg, und ohne auf unsere Nachhut zu achten, lässt Sandoval die Brücke gleich wieder nach vorne holen. Die zusammengezimmerten Bretter und Balken sehen bald schon reichlich mitgenommen aus. Aber uns bleibt keine Wahl – wir müssen weiter fliehen, über Breschen hinweg, unter Pfeilhageln hindurch – hinaus auf den offenen See!
    Diego und ich rennen neuerlich über den Steg, gefolgt von Fray Geronimo und Fray Bartolomé. Cortés reitet dicht hinter ihnen her, und als Schatzmeister Escobar zögert, winkt er ihm energisch, uns mit den Pferden zu folgen. Eine weitere Pfeilsalve geht auf uns nieder. Escobars Pferd macht einen Satz, die vier

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