Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
Vom Netzwerk:
Herrscher es gewagt hat, unseren König zu schmähen! Dabei übt Montezuma gerade den Totonaken gegenüber so viel Rücksicht und Milde wie ein Vater gegenüber seinem schwächsten und kränklichsten Kind! Doch diese unverschämte Beschwerde hat auch seinen Zorn erregt.«
    »Und wie lautet die Strafe«, fragt Cortés, »die der Große Montezuma den Totonaken auferlegt hat?«
    Der zweite Tributeintreiber wirft sich in die Brust. »Sie sollen uns, zusätzlich zu den Baumwollstoffen und den anderen Dingen, jährlich zehn halbwüchsige Mädchen und ebenso viele Knaben überlassen, die in Tenochtitlan zu Ehren von Huitzilopochtli geopfert werden.«
    Das Herz zieht sich mir vor Entsetzen zusammen, als Marina diese Worte übersetzt hat. Auch Carlita neben mir zuckt zusammen und ihre Finger krampfen sich schmerzhaft in meinen Unterarm.
    Doch Cortés schaut so ausdruckslos wie beinahe stets. »Eilt auf dem kürzesten Weg zurück nach Tenochtitlan«, weist er die beiden Azteken an, »und hütet euch vor den Totonaken! Dem Großen Montezuma aber berichtet, dass ich, Hernán Cortés, der Statthalter des allmächtigen Gottes und des Königs von Spanien, euch die Freiheit geschenkt habe. Und jetzt geht!«
- 4 -
    Carlita und ich liegen eng umschlungen auf einem weich gepolsterten Lager. Ihre Haut ist goldfarben wie die der Liebesgöttin Xochiquetal. Sie lächelt mich an und von ihren Lippen, ihren Augen, ihrem Lächeln geht ein goldener Glanz aus. Jetzt hat auch mich das Goldfieber erwischt!, denke ich und ein Grinsen zieht meinen Mund in die Breite. Wenn es sich so köstlich anfühlt, sage ich mir, will ich vom Goldfieber nie mehr geheilt werden.
    Sachte drücke ich meine Lippen auf Carlitas goldenen Hals. Ich bin eben dabei, meinen Mund weiter abwärtswandern zu lassen – da erschallen aufgeregte Rufe und wütende Schreie unmittelbar neben uns!
    Was hat das zu bedeuten? Ich fahre auf und schaue mich um: Ich bin ganz allein in einem geräumigen Gemach. Durchdie Fenster flutet das Sonnenlicht herein. Also war alles nur ein Traum? Vor Enttäuschung stöhne ich auf.
    Jetzt fällt mir auch wieder ein, wo ich mich hier eigentlich befinde – und was es mit dem Geschrei da draußen höchstwahrscheinlich auf sich hat. Wir sind in Cempoallan, und bestimmt haben die Palastwächter von König Pazinque herausgefunden, dass zwei von ihren Gefangenen fehlen.
    Ich rappele mich auf, ordne meine Gewänder und mein Haar und trete auf den Flur hinaus. Gegenüber liegt Cortés’ Wohngemach und durch die weit offen stehende Tür kann ich sehen, wer sich alles dort drinnen befindet. Unser Herr und Marina, außerdem Alvarado und Sandoval. Ihnen gegenüber, umgeben von Dienern und Wächtern, thront König Pazinque auf einem extra großen Sessel, der gestern noch nicht in Cortés’ Gemach gestanden hat.
    Bestimmt haben seine Diener dieses Möbelstück mitgebracht, sage ich mir und nicke Diego zu. Er steht in strammer Haltung neben Cortés’ Tür, wie ein Wächter oder Eilbote, der auf Befehle wartet. Als Diego sieht, dass ich mich auf das Gemach unseres Herrn zu bewege, reißt er die Augen auf und schüttelt den Kopf. Aber ich lasse mich nicht abhalten und trete gerade über die Türschwelle, als König Pazinque ausruft:
    »Ich ersäufe sie alle wie tollwütige Hunde!«
    Marina übersetzt und dabei sieht sie wie immer nur Cortés an. Ihre düstere Schönheit erstaunt, ja erschreckt mich jedes Mal aufs Neue. Marina hat eine vorspringende Stirn, die durch ihre kräftigen, pechschwarzen Augenbrauen noch betont wird. Ihre Augen lodern wie glühende Kohlestücke, ihr Mund ist groß im Verhältnis zu Kinn und Nase, die Lippen sind stark geschwungen und glänzen, so als würde sie unaufhörlich mit der Zunge darüberfahren.
    »Überlasst die Azteken mir!«, antwortet Cortés. »Ich werde sie auf einem meiner Schiffe in Eisen legen lassen, dann fallen sie Euch nicht zur Last. Wie schon gesagt, vom heutigen Tag anseid ihr von jeder Verpflichtung gegenüber Montezuma frei.« Er spricht in jenem fast gleichgültigen Tonfall, den er häufig anschlägt, wenn ihm etwas besonders wichtig ist. »Als Gegenleistung erbitte ich mir nur eines von Euch«, fährt Cortés fort. »Schickt fünftausend erfahrene Handwerker zu der Bucht, an der wir unsere Siedlung errichten werden. Sie sollen uns helfen, unsere Häuser zu erbauen, Wege und Plätze zu befestigen und die Stadt mit einem Festungswall zu umgeben. Wollt Ihr mir diesen Wunsch erfüllen?«
    Pazinque nickt so heftig,

Weitere Kostenlose Bücher