Goldfinger
entzieht dem Markt Jahr um Jahr Tonnen von Gold. Neue Industrien benötigen Golddraht, Goldbelag, Goldverbindungen. Gold besitzt besondere Eigenschaften, es glänzt, ist formbar, streckbar, beinahe unwandelbar und besitzt eine höhere Dichte als alle üblichen Metalle außer Platin. Es hat aber zwei Nachteile: Es ist nicht hart genug und verbraucht sich rasch, bleibt im Taschenfutter und im Schweiß unserer Haut zurück. Jedes Jahr verringert sich der Weltvorrat durch Reibung. Aber der zweite, weit ärgere Nachteil liegt in seiner Eigenschaft als Talisman gegen die Angst. Die Angst, Mr. Bond, zieht das Gold aus dem Umlauf und hortet es für schlechte Zeiten. Heute, wo jeder Tag die Katastrophe bringen kann, darf man ruhig annehmen, daß ein großer Teil jenes Goldes, das man am einen Ende der Erde ausgräbt, am anderen sofort wieder eingegraben wird.«
Bond fragte: »Was muß ich noch wissen, ehe wir uns Ihrem eigentlichen Problem widmen können?«
»Nun, Sie meinten vorhin, daß die enorme Goldproduktion den Weltbedarf decken müßte. Weit gefehlt! Die Goldvorkommen der Welt sind bekannt, und es wäre ein Irrtum, zu glauben, daß weite Gebiete noch der Erschließung harren. Eigentlich bleiben dafür nur noch der Meeresgrund und das Meer selbst, das ja einen gewissen Goldgehalt aufweist.« Der Colonel hob die Hände. »Die gesamte Produktion von Klondike, Homestake und Eldorado, einstmals die Wunder der Welt, ergäbe nur die Menge von zwei oder drei Jahren der heutigen Förderung in Afrika! Man muß sich vor Augen halten, daß in der Zeit von 1500 bis 1900, für die es ungefähre Ziffern gibt, insgesamt etwa achtzehntausend Tonnen Gold produziert wurden. Hingegen haben wir von 1900 bis heute einundvierzigtausend Tonnen gefördert. Bei diesem Tempo, Mr. Bond, würde es mich nicht wundern, wenn in weiteren fünfzig Jahren die Geldvorräte der Erde erschöpft wären!«
Von solcher Argumentation beeindruckt, fiel es Bond nicht schwer, ebenso ernst dreinzublicken wie der Colonel. »Die Geschichte, die Sie da erzählen, ist faszinierend, aber vielleicht ist die Lage nicht so schlecht, wie Sie denken. So wie man unterm Meer nach öl bohrt, wird man vielleicht auch nach Gold schürfen. Aber nun zu dieser Schmuggelsache.«
»Sehr wohl.« Nun war die müde Stimme eines überarbeiteten Mannes vom Regierungsdienst zu hören, der sein Ressort beherrscht und den Rest sehr wohl zu erraten weiß. »Nehmen wir einmal an, Sie haben in Ihrer Tasche einen Goldbarren in der Größe von zwei Players-Schachteln, Gewicht etwa zweieinhalb Kilo. Er hat vierundzwanzig Karat - was wir Feingehalt Tausend nennen. Nach dem Gesetz müssen sie ihn zum kontrollierten Preis von zwölf Pfund zehn pro Unze der Bank von England verkaufen. Sie sind aber habgierig, Sie haben einen Freund, der nach Indien fährt, Pilot oder Steward bei einer Fernost-Linie ist. Da müssen Sie Ihren Barren in dünne Platten zerschneiden lassen und diese Platten
- sie sind kleiner als Spielkarten - in einen Baumwollgürtel einnähen. Für das Tragen dieses Gürtels zahlen Sie Ihrem Freund eine Provision von, sagen wir, hundert Pfund. Das können Sie sehr wohl tun, denn Ihr Freund erhält in Bombay beim nächsten Goldhändler im Basar für Ihren Zwei-einhalb-Kilo-Barren eintausendsiebenhundert Pfund. Das sind« - Colonel Smithers schwenkte geringschätzig seine Pfeife - »nur siebzig Prozent Gewinn. Gleich nach dem Krieg härten Sie dreihundert erzielt. Jedes Jahr nur ein halbes Dutzend solcher Sendungen, und Sie könnten sich jetzt zur Ruhe setzen.«
»Warum zahlt man in Indien so viel?« Bond fragte nur für den Fall, daß M es wissen wollte.
»Kurz gesagt, Indien besitzt weniger Gold als irgendein anderes Land, besonders für den Juwelenhandel.«
»Wie hoch beläuft sich dieser Schwarzhandel?«
»Ungeheuer hoch. 1955 haben indischer Geheimdienst und Zoll dreiundvierzigtausend Unzen beschlagnahmt. Ich zweifle, daß das auch nur ein Prozent des Umsatzes ist. Aus allen Weltrichtungen kommt Gold nach Indien. Das Neueste ist, von Macao herüberzufliegen und es mit dem Fallschirm abzuwerfen, eine Tonne auf einmal.«
»Verstehe. Und wo könnte ich sonst noch für meinen Goldbarren einen guten Preis erzielen?«
»Kleine Gewinne in den meisten Ländern, in der Schweiz zum Beispiel. Aber Indien ist noch immer der richtige Ort.«
»Schön«, sagte Bond. »Ich glaube, ich bin im Bild. Und worin besteht nun Ihr spezielles Problem?«
Plötzlich war etwas wie Jagdlust in
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