Goldfinger
Colonel Smithers’ Blick. »1937 kam ein Mann namens Auric Goldfinger nach England. Flüchtling aus Riga, erst zwanzigjährig. Er muß ein schlauer Bursche gewesen sein, um so früh schon die russische Besetzung vorauszuahnen. Er war Juwelier und Goldschmied wie sein Vater und Großvater, besaß ein wenig Geld und wahrscheinlich auch einen solchen Goldgürtel. Ich wage zu behaupten, daß er ihn seinem Vater gestohlen hatte. Nun, bald nach seiner Naturalisierung begann er, im ganzen Land kleine Pfandleihgeschäfte aufzukaufen. Er setzte gutbezahlte Angestellte hinein und änderte die Firmennamen auf Goldfinger. Und dann ging es los: >Wir kaufen jede Menge Altgold zu besten Preisen!< Dann noch einen Verkaufsslogan für billigen Schmuck, >Ihren Verlobungsring für Omas Medaillon!<, und Goldfinger begann zu verdienen. Dazu die stets gutgewählte Lage und niemals >heiße< Ware. So stand er auch bei der Polizei in gutem Ruf. Er wohnte in London und sammelte allmonatlich das Altgold ein. Das Schmuckgeschäft überließ er seinen Geschäftsführern. Sie glauben vielleicht, Mr. Bond, diese alten Medaillons und Goldkreuze seien nicht der Rede wert. Sie sind es auch nicht, solange man nicht zwanzig Filialen besitzt. Nun ja, es kam also der Krieg, und Goldfinger mußte wie alle Juweliere seinen Goldbesitz angeben. Ich habe seine Zahlen in unseren alten Listen nachgeprüft: fünfzig Unzen für alle Geschäfte zusammen! Gerade genug, um sie weiterhin mit Juweliermaterial zu versorgen. Natürlich durfte er das Gold behalten. Für die Dauer des Krieges nahm er dann Deckung in einer Werkzeugmaschinenfabrik in Wales, weit vom Schuß, betrieb aber möglichst viele seiner Filialen weiter. An den GI, die gewöhnlich einen Goldadler oder ein mexikanisches Fünfzigdollarstück in Reserve hatten, muß er nicht schlecht verdient haben. Mit dem Frieden wurde er aktiv. Er kaufte sich ein Haus, so ein angeberisches in Reculver an der ^emsemündung. Er griff zu bei einem Brixham-Fischdampfer und bei einem alten Rolls-Royce Silver Ghost, einem gepanzerten Wagen für einen südamerikanischen Präsidenten, der ermordet worden war, ehe er ihn übernehmen konnte. Auf seinem Grundstück errichtete er eine kleine Fabrik, nannte sie ^anet-Legierungsforschung und nahm dafür einen deutschen Metallurgen auf, einen Kriegsgefangenen, der nicht mehr zurück wollte, sowie ein halbes Dutzend koreanischer Dockarbeiter, die er von Liverpool mitbrachte. Sie verstanden kein Wort einer zivilisierten Sprache, waren also sicher. Aus den nächsten zehn Jahren wissen wir nur, daß er jedes Jahr einmal mit dem Fischdampfer nach Indien und mehrmals mit dem Wagen in die Schweiz fuhr. Dort richtete er bei Genf einen Zweigbetrieb seiner Legierungsfirma ein. Seine Londoner Geschäfte hielt er weiterhin in Gang, ließ aber das Gold von einem seiner Koreaner einsammeln, den er zum Chauffeur gemacht hatte. Goldfinger ist vielleicht kein ganz ehrlicher Mann, aber er benahm sich immer gut, und da es hierzulande viel auffallendere Dinge gibt, kümmerte sich niemand um ihn.«
Der Colonel brach ab, wie um Entschuldigung bittend: »Ich langweile Sie nicht? Wissen Sie, es liegt mir daran, den Mann zu schildern, wie er ist: ruhig, vorsichtig, gesetzestreu, bewundernswert unternehmend und zielstrebig. So wurden wir erst im Sommer 1954 auf ihn aufmerksam, als ihm ein kleines Mißgeschick unterlief: Sein Fischdampfer strandete auf der Rückreise von Indien bei den Goodwins, und er verkaufte das Wrack für einen Pappenstiel an die DoverBergungsgesellschaft. Beim Abwracken fand man die Balken des Laderaums mit einer Art braunem Pulver imprägniert. Die chemische Analyse ergab, daß es sich um Gold handelte. Ich will Sie nicht mit Formeln langweilen, aber man kann Gold in einer Mischung von Salzsäure und Salpetersäure auflösen und mit Hilfe von Schwefeldioxyd und Oxalsäure in braunes Pulver verwandeln. Durch Schmelzen bei zirka tausend Grad Celsius erhält man daraus wieder Goldbarren. Bis auf das Chlorgas ein ganz einfacher Vorgang. Irgendein Schnüffler bei der Bergungsfirma erzählte einem Zollbeamten davon, und über Polizei und CID kam die Sache samt den beigeschlossenen Zollscheinen von Goldfingers Indienfahrten auf meinen Schreibtisch. Die Fracht war immer unter >Mineralstaub, Grundstoff für Düngemittel gelaufen, völlig glaubwürdig. Jetzt war alles sonnenklar: Goldfinger hatte sein Bruchgold in dieses braune Pulver verwandelt und als Düngemittel nach Indien verschifft. Aber
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