Goldfinger
näherte sich Nevers. In jedem Fall mußte er zur nächsten großen Abzweigung aufschließen, nun aber traf er gleich zwei Fliegen mit einem Schlag: Er würde auch sehen, was das Mädchen vorhatte. Blieb sie zwischen ihm und Goldfinger, so konnte das unangenehm werden. Es war schwierig genug, Goldfinger allein zu überwachen!
Sie hielt sich weiterhin drei Kilometer hinter dem Rolls. Sobald Bond sie sehen konnte, verlangsamte er sein Tempo. Wer war sie? Was bedeutete das alles?
Der kleine Konvoi fuhr weiter auf dem breiten, dunklen Band der N 7, diesem Nervenstrang durch das Herz Frankreichs, nach dem Süden. Aber bei Moulin verlor Bond beinah die Spur: Rasch mußte er zurück und auf die N 73 hinüber. Goldfinger war im rechten Winkel abgebogen und fuhr nun in Richtung Lyon und Italien oder Macon-Genf. Bond trachtete aufzuholen und entging dabei gerade noch rechtzeitig einer schwierigen Situation. Er hatte den Ton des »Homer« zu wenig beachtet, da er sich auf den Triumph verließ. Aber plötzlich wurde das Brummen zum Brüllen! Hätte er bei seinen hundertvierzig nicht hart gebremst, er wäre in den Rolls hineingefahren! So aber rollte er langsam über eine Anhöhe und sah den großen gelben Wagen einen Kilometer voraus am Wegrand halten. Gott sei Dank, da war ein Karrenweg! Bond bog hinein und hielt in der Deckung eines Weizenfelds. Er nahm den Feldstecher, stieg aus und ging zurück. Ja: Goldfinger saß unter einer kleinen Brücke am Flußufer, in weißem Staubmantel und ebensolcher Autohaube, und hielt Picknickpause. Der Anblick machte Bond hungrig. Wann würde er selbst essen können? Er nahm den Rolls aufs Korn: Durch das Heckfenster erkannte er die schwarzen Umrisse des Koreaners im Vordersitz. Vom Triumph keine Spur. Wenn das Mädchen noch immer hinter Goldfinger hergewesen war, so hatte sie ihn wohl mit abgewandtem Gesicht überholt und wartete nun weiter vorn in einem Hinterhalt, bis der Rolls vorüberkäme. Oder sie war längst auf dem Weg zu den italienischen Seen, um Verwandte oder den Liebhaber zu treffen?
Jetzt war Goldfinger aufgestanden. So ist’s recht, die Papierreste aufsammeln und damit unter die Brücke gehen. Warum warf er sie nicht in den Fluß? Bond biß sich auf die Lippen: War die Brücke vielleicht ein »Briefkasten«? Sollte Goldfinger hier etwas hinterlegen? Frankreich, Schweiz, Italien - für alle drei Länder lag der Ort günstig. Die Brücke schien gut gewählt, mit freier Sicht nach beiden Seiten.
Jetzt kletterte Goldfinger die Uferböschung wieder hinauf. Bond ging in Deckung. Er hörte das Ächzen des Anlassers und spähte durch die Halme, bis der Rolls verschwunden war.
Es war eine hübsche Brücke über einen hübschen Fluß. Die Kontrollnummer 79/6 auf dem Brückenbogen zeigte an, daß es die sechste nach irgendeiner Stadt an der N 79 war. Leicht zu finden. Rasch stieg Bond aus und glitt zum Wasser hinunter. Unten war es dunkel und kühl, in der Strömung huschten Fische über die Kiesel. Bond untersuchte den Mauerrand hinterm Gras. In der Mitte, gerade unter der Straße, wucherte es besonders dicht. Vorsichtig schob Bond die Büschel zur Seite, legte die frisch aufgegrabene Stelle frei und fühlte mit den Fingern nach: Es war nur einer da, glatt und in Ziegelform. Man brauchte Kraft, um ihn aufzuheben. Bond wischte die Erde von dem stumpf-gelben Metall, wickelte den Barren in sein Taschentuch, klemmte ihn unter die Jacke, kletterte wieder hinauf und betrat die leere Straße.
6
Bond war mit sich zufrieden. Nun würde eine Menge Leute sehr böse auf Goldfinger sein! Zwanzigtausend Pfund weniger! Jetzt würde man Pläne ändern, Verschwörungen verschieben müssen. Vielleicht waren sogar Menschenleben gerettet. Und wenn es je zu Nachforschungen kam, so würde man die Schuld einem herumstrolchenden Vagabunden geben.
Bond ließ den Barren durch eine verdeckte Klappe unter den Passagiersitz gleiten. Gefährliches Zeug! Er mußte sehen, ihn an der nächsten Dienststelle loszuwerden. Der Gesandtschaftskurier würde ihn nach London mitnehmen, und Bond mußte so schnell wie möglich Bericht erstatten, denn der Vorfall bestätigte vieles. Möglicherweise informierte M sogar das Deuxieme und ließ die Brücke überwachen, um zu sehen, wer hinkam. Hoffentlich nicht ausgerechnet jetzt, wo Bond sich an Goldfinger heranpirschte!
Bond fuhr wieder los. Noch vor Mâcon hatte er auf zuschließen und die nächste Abzweigung richtig zu erwischen: Genf oder Lyon. Auch das Problem mit dem
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