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Goldfinger

Titel: Goldfinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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Charakter, zuviel Offenheit. Auch ihre Kleidung war eher dezent: eine weiße, seidene Hemdbluse mit offenem Kragen und weiten, an den Gelenken gerafften Ärmeln, die Nägel waren nicht lackiert, der einzige Schmuck war ein Goldring am linken Ringfinger - war sie verlobt oder nicht? Der breite, gestickte Ledergürtel schloß mit zwei Messingschnallen über dem graphitgrauen, kurzen Faltenrock. Die schwarzen, eleganten Sandalen sahen teuer aus. Das einzig Bunte an ihr war das rosa Kopftuch in ihrer Hand. Im ganzen ein sportlicher Typ, etwa ein Mitglied des englischen Damenskiteams oder eine passionierte Springreiterin.
    Bond überlegte. Würde sie ihn zu sehr stören? Und wie bald wäre er sie los, um sich seiner eigenen Sache widmen zu können? Aber seine Neugierde wog Nachteile auf: Wer war sie, was hatte sie vor? Hatte er nicht ein Märchen um sie gesponnen, das sich jetzt zu verwirklichen schien? Und außerdem mußte man einer Frau in Bedrängnis beistehen. So sagte er kurz: »Aber gern! Laden wir gleich Ihr Gepäck um!« Er hielt ihr seine Börse hin: »Hier, besorgen Sie uns etwas zu essen. Ich kümmere mich inzwischen um eine Garage.«
    Ihre Blicke trafen und verstanden sich. Sie nahm das Geld. »Danke. Ich besorge uns gleich das Nötige.« Sie ging zum Kofferraum ihres Triumph und schloß ihn auf. »Nein, nein, ich mach’ das schon selbst!« Ein Sack Golf Schläger und ein teuer aussehendes Köfferchen kamen zum Vorschein. Sie trug beides zum Aston Martin hinüber, lehnte nochmals jede Hilfe ab und verstaute alles neben Bonds Koffer. Dann holte sie noch die große, schwarzbestickte Schultertasche.
    Bond sagte: »Welchen Namen und welche Adresse soll ich angeben?«
    »Wie bitte?«
    Er wiederholte seine Frage. Würde nun eines von beiden oder beides falsch sein?
    Sie sagte: »Keine feste Adresse. Sagen wir das Hôtel des Bergues in Genf. Der Name ist Soames, Miss Tilly Soames.« Sie hatte nicht gezögert. Nun ging sie in den Fleischerladen.
    Eine Viertelstunde später waren sie unterwegs. Sie saß aufrecht und blickte auf die Straße, der »Homer« brummte schwach. Goldfinger mußte schon achtzig Kilometer voraus sein! Bond beeilte sich. Sie sausten durch Bourg und bei Pont d’Ain über die Brücke. Jetzt waren sie in den Vorläufern des Jura, da kamen die S-Kurven der N 84! Bond durchfuhr sie, als war’s eine Alpenwertungsfahrt. Nachdem das Mädchen zweimal gegen ihn gestoßen war, hielt sie sich am Handgriff fest und ging mit, als wäre sie sein Ersatzfahrer. Einmal, nach einem besonders scharfen, trockenen Schleudern, das sie fast aus der Kurve getragen hätte, sah Bond zu ihr hinüber: Ihre Lippen waren geöffnet, die Nasenflügel bebten und die Augen leuchteten. Also gefiel es ihr.
    Sie erreichten die Paßhöhe, und hinunter ging’s zur Schweizer Grenze! Der »Homer« gab jetzt ein stetiges Heulen von sich. Bond dachte: Jetzt muß ich mich zurückhalten, sonst treffen wir sie beim Zoll. Er griff unter das Armaturenbrett und stellte das Geräusch leiser. Dann fuhr er an den Straßenrand. Sie blieben im Wagen und nahmen nahezu schweigend das Picknick ein, wobei jeder seinen eigenen Gedanken nachhing. Nach zehn Minuten fuhr Bond wieder los. Ruhig ging es die Kurven zwischen den rauschenden jungen Fichten hinunter.
    »Was ist das für ein Lärm?« fragte sie.
    »Der Verteiler jault. Beim Schnellerfahren wird’s ärger. Seit Orléans. Ich muß es heut’ abend reparieren lassen.«
    Sie schien es zu glauben und fragte schüchtern: »Ich hoffe, ich habe Sie nicht allzu weit von Ihrem Weg abgebracht!«
    Bond sagte freundlich: »Nicht im geringsten! Ich fahre auch nach Genf, aber vielleicht bleibe ich die Nacht nicht dort, das hängt von meiner Verabredung ab. Wie lange bleiben Sie?«
    »Ich weiß nicht. Ich spiele Golf, in Divonne findet eine offene
    Damenmeisterschaft statt. Ich bin zwar nicht diese Klasse, aber versuchen kann man’s ja. Und außerdem möchte ich noch auf ein paar anderen Plätzen spielen.«
    Das mochte ja stimmen, aber die ganze Wahrheit war es sicher nicht! Bond fragte weiter: »Spielen Sie viel Golf? Auf welchem Platz in England?«
    »Ziemlich viel, in Temple.«
    »Wohnen Sie in der Nähe?«
    »Ich habe eine Tante in Henley. Und was machen Sie in der Schweiz? Urlaub?«
    »Geschäft. Import-Export.«
    »Ach so!«
    Bond lächelte in sich hinein. Der reine Bühnendialog!
    Sie kamen jetzt an die Grenze. Ein langes gerades Straßenstück gab den Blick auf die französische Zollstation

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