Goldfinger
die kurze Zeit wird es seinen Zweck erfüllen.« (Das wird es nicht, dachte Bond, wenn du nicht einen harmlosen Satz eingefügt hast, der M die Echtheit bestätigt! Jetzt wissen sie schon, daß ich in fremder Gewalt bin, und die Räder laufen rasch.) »Sollten Sie glauben, Mr. Bond, daß man Sie finden wird, so möchte ich Ihnen nur sagen, daß Sie und Miss Masterton vollkommen aus der Welt verschwunden sind. Ebenso ich und alle meine Angestellten. Vom Flugplatz aus wird man alle Nachfragen an den Harkness-Pavillon des Presbyterian-Hospitals weiterleiten, und dort hat man weder von einem Mr. Goldfinger noch von seinen Patienten je etwas gehört. FBI und CIA besitzen keine Aufzeichnungen über mich, denn ich habe kein Strafregister. Auch die Einwanderungsbehörden werden keine Hilfe sein. Was unseren derzeitigen Aufenthalt betrifft, Mr. Bond, so befinden wir uns im Lagerhaus der Hi-speed-Transportgesellschaft, eines ehemals angesehenen Konzerns, der durch Strohmänner mir gehört und als geheimes Hauptquartier für das Projekt dient, von dem ich gesprochen habe. Sie und Miss Masterton bleiben hier interniert. Sie werden hier wohnen und arbeiten und - obwohl ich in diesem Punkt Zweifel an
Miss Mastertons Neigungen habe - sich auch hier lieben.«
»Und was haben wir zu tun?«
»Mr. Bond!« Zum erstenmal, seit Bond ihn kannte, zeigte sein großes, immer ausdrucksloses Gesicht eine Spur von Leben. Etwas wie Verzückung trat in seinen Blick, und die feingeschwungenen Lippen formten sich zu einem dünnen, beseligten Lächeln. »Zeit meines Lebens war ich vernarrt in das Gold, in seine Farbe, seinen Glanz, seine göttliche Schwere. Ich liebe seine Struktur, ich kenne seine sanfte Glätte so genau, daß ich den Feingehalt eines Barrens auf ein Karat genau schätzen kann. Und ich liebe den warmen Duft, der von ihm ausgeht, wenn ich es zu reinem Goldsirup einschmelze! Vor allem aber, Mr. Bond, liebe ich die Macht, die allein das Gold seinem Besitzer verleiht. Ja, Mr. Bond, mein Leben lang habe ich für das Gold und hat das Gold für mich gearbeitet. Und ich frage Sie«, Goldfinger blickte Bond ernst an: »Gibt es auf Erden etwas anderes, das seinen Besitzer so belohnt?«
»Viele sind reich und mächtig geworden, ohne eine Unze davon zu besitzen, aber ich verstehe Ihren Standpunkt. Wieviel Gold haben Sie denn schon, und was machen Sie damit?«
»Ich besitze Gold im Wert von ungefähr zwanzig Millionen Pfund. Und es ist stets dort, wo ich es brauche. Zur Zeit befindet sich alles in New York, denn ich muß damit mein neuestes Unternehmen in Amerika vorantreiben.«
»Welche Unternehmen betreiben Sie? Was zieht Sie an?«
»Ich betreibe alles, was meinen Goldvorrat vergrößert. Ich investiere, schmuggle, stehle.« Goldfinger öffnete überzeugend die Hände. »Betrachten Sie die Geschichte, um ein Bild zu gebrauchen, als einen Eisenbahnzug, der dahinrast. Vögel und andere Tiere werden von ihm aufgescheucht. Und ich bin der Falke, der dem Zug folgt. Sie haben sicher schon beobachtet, in Griechenland zum Beispiel, wie die Falken auf alles herabstoßen, was so ein Zug aufscheucht. Wenn die Geschichte zum Beispiel einen Weltkrieg hervorbringt, bereichere ich mich am Krieg. Verstehen Sie, was ich meine, Mr. Bond? Man muß auf die Beute warten, sie genau beobachten und dann zustoßen. Nur: Ich laufe solchen Unternehmen nicht nach, sondern lasse den Zug, den die Geschichte darstellt, für mich die Beute aufstöbern.«
»Und Ihr neuestes Projekt?«
»Das neueste, Mr. Bond, ist das letzte. Und auch das größte.« Goldfingers Augen waren leer, nach innen gerichtet. Seine Stimme klang jetzt tief, fast ehrfürchtig. »Der Mensch hat schon auf jedem Gebiet Triumphe gefeiert, Rekorde gebrochen, Wunder zustande gebracht. Eines aber hat er vernachlässigt, Mr. Bond. Es ist jenes Gebiet menschlichen Wirkens, das man so ungenau mit dem Wort >Verbrechen< belegt hat. Ich spreche da natürlich nicht von den idiotischen Kriegen, der ungeschickten gegenseitigen Vernichtung. Aber die sogenannten Verbrechen, die von einzelnen begangen werden, sind von jämmerlichen Dimensionen: kleine Bankeinbrüche, läppische Schwindeleien, Fünfmarkfälschungen. Und dabei bietet sich nur ein paar hundert Kilometer von hier die Möglichkeit für das größte Verbrechen der Geschichte! Die Bühne ist aufgebaut, der gebotene Preis gigantisch. Nur die Akteure fehlen noch. Aber der Regisseur ist da, Mr. Bond!«
Goldfinger tippte sich an die Brust. »Und er hat
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