Goldfinger
einen Spalt geöffnet. Er sagte: »Schon gut, Fakto, ich bring’ dich jetzt noch nicht um.«
Die Tür ging weiter auf, Faktos Gesicht war ungerührt. Bond bestellte und goß sich dann einen Bourbon mit Soda ein. Er setzte sich auf den Bettrand und dachte nach, wie er mit dem Mädchen zurechtkommen könnte. Von Anfang an war sie gegen ihn gewesen. War das nur wegen ihrer Schwester? Und warum hatte Goldfinger diese dunkle Bemerkung bezüglich ihrer »Neigungen« gemacht? Sie war schön, körperlich begehrenswert. Aber sie hatte einen kalten, harten Kern, den Bond nicht definieren konnte. Nun, Hauptsache, sie machte mit, sonst würde das Leben hier nicht auszuhalten sein.
Bond ging wieder in ihr Zimmer, ließ aber beide Türen offen, um hören zu können, wenn jemand seinen Raum betrat. Sie saß immer noch auf dem Bert. Er lehnte sich an den Türpfosten, nahm einen langen Schluck und sagte: »Es ist besser, Sie wissen, daß ich von Scotland Yard komme. Wir sind hinter Goldfinger her. Er will, daß wir beide für ihn arbeiten, denn er hat ein Verbrechen vor, große Sache, ziemlich verrückt, aber mit einer Menge Papierarbeit. Die sollen wir machen. Können Sie Steno und maschineschreiben?«
»Ja.« Ihr Blick erhellte sich. »Was für ein Verbrechen?«
Bond sagte es ihr und setzte hinzu: »Das alles klingt natürlich absurd. Ein paar Fragen und Antworten müßten diesen Gangstern zeigen, wie unmöglich es ist. Aber ich weiß nicht, Goldfinger ist ein außergewöhnlicher Mensch. Verrückt ist er nicht - zumindest nicht verrückter als andere Genies. Und zweifellos ist er auf seinem Gebiet ein Genie!«
»Was wollen Sie also tun?«
Bond senkte die Stimme: »Sie meinen, was wir tun werden. Wir werden mitspielen, und zwar ohne auszuweichen, ohne zu schwindeln. Wir werden aufs Geld scharf sein und ihn erstklassig unterstützen. Das ist die einzige Möglichkeit, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen.«
»Wie wollen Sie das bewerkstelligen?«
»Keine Ahnung. Es wird sich zeigen.«
»Und Sie glauben, daß ich da mitmache?«
»Warum nicht? Haben Sie einen besseren Vorschlag?«
Sie schürzte die Lippen: »Warum soll ich tun, was Sie sagen?« Bond seufzte: »Wozu hier die Suffragette spielen! Entweder Sie tun’s, oder man bringt Sie nach dem Frühstück um.«
Widerwillig verzog sie den Mund, zuckte die Achseln und sagte unfreundlich: »Na, schön. Aber wenn Sie mich anrühren, dann bringe ich Sie um!«
Bonds Zimmertür klickte. Er blickte nachsichtig auf das Mädchen hinunter. »Interessante Herausforderung! Aber keine Angst, ich nehm’ sie nicht an.« Er drehte sich um und ging. Einer der Koreaner trug das Frühstück an ihm vorbei. Ein zweiter war daran, in Bonds Zimmer einen Schreibmaschinentisch und -stuhl sowie eine tragbare Remington aufzustellen. In der Tür stand Fakto, ein Papier in der Hand. Bond nahm es ihm ab. Die Anweisung, ordentlich und lesbar geschrieben, lautete:
Machen Sie zehn Exemplare von dieser Tagesordnung:
Versammlung unter dem Vorsitz von Mr. Gold
Sekretäre: J. Bond, Miss Tilly Masterton
Anwesend: Helmut M. Springer - Der Purpurring, Detroit
Jed Midnight - Das Schattensyndikat, Miami und Havanna Billy Ring (Der Grinsende Billy) - Die Maschine, Chikago Jack Strap - Der Flimmermob, Las Vegas Mr. Solo - Unione Siciliano
Miss Pussy Galore - Die Zementmixer, Harlem, N.Y.C.
Tagesordnung: Ein Projekt mit Decknamen »Operation Großer Schlag« (Erfrischungen)
Sie werden um 14.20 Uhr abgeholt. Schreibzeug mitnehmen, Gesellschaftsanzug erbeten.
Lächelnd klemmte Bond sich hinter die Maschine. Das Mädchen sollte sehen, daß er gewillt war, sein Pensum zu erledigen. Mein Gott, was für eine Bande! Sogar die Mafia war dabei. Wie hatte Goldfinger die nur alle überredet? Und wer um Himmels willen war Miss Pussy Galore?
Um zwei Uhr hatte Bond die Kopien fertig. Er ging in das Zimmer des Mädchens, gab sie ihr zusammen mit einem Stenoblock und Bleistiften und las ihr Goldfingers Anweisung vor. »Merken Sie sich diese Namen! Die Herrschaften werden nicht schwer zu unterscheiden sein. Außerdem können wir ja fragen. Ich geh’ jetzt und zieh’ mich um.« Er lächelte ihr zu. »In zwanzig Minuten!«
Sie nickte.
Während sie hinter Fakto den Gang entlangschritten, konnte Bond die Geräusche vom Fluß her hören - das Wellenklatschen an den Lagerhauspfeilern, das lange, klagende Warnungsgeheul eines Fährboots, fernes Dieselpochen. Irgendwo unten fuhr ein Lastwagen an, wendete und rollte
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