Goldfinger
wahrscheinlich der Sanitätsstation des Flughafens. Eine Reihe sauberer Betten stand im Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster einfiel, aber die Luft war kühl, klimatisiert. Neben der seinen stand eine zweite Tragbahre, auf der Tilly lag. Sie war bewußtlos.
Die Tür am Ende des Saales öffnete sich, ein Arzt im weißen Mantel hielt sie für Goldfinger offen, der lebhaft und gut gelaunt zwischen den Betten herankam, gefolgt von Fakto. Bond schloß die Augen. Mein Gott! So stand es also!
Sie versammelten sich um seine Bahre, und Goldfinger sagte flott: »Nun, die beiden sehen recht gut aus, nicht wahr, Doktor? Ja, der Reichtum hat auch seine guten Seiten! Man kann einem Freund, einem Angestellten die bestmögliche Behandlung sichern! Nervenzusammenbruch, beide, und in derselben Woche, würden Sie das glauben? Aber es ist meine Schuld, ich habe sie überfordert, also muß ich sie auch wieder auf die Beine bringen. Dr. Foch - eine Kapazität in Genf - sagte ganz eindeutig: >Ruhe, Ruhe und wieder Ruhe!< Er gab ihnen Schlafmittel, und jetzt kommen sie in den Harkness-Pavillon im Presbyterian-Hospital.« Goldfinger lachte. »Säe und du wirst ernten, was, Doktor? Als ich Harkness eine Röntgenausrüstung für eine Million schenkte, tat ich’s ohne Hintergedanken. Und jetzt? Anruf genügt, und zwei schöne Zimmer warten schon! Also dann« - man hörte Papiergeld rascheln - »danke ich für Ihre Hilfe beim Einwanderungsamt. Beide hatten ja gültige Visa, und Mr. Auric Goldfinger ist wohl ein ausreichender Garant dafür, daß keiner von ihnen die Regierung der Vereinigten Staaten stürzen wird! Nicht wahr?«
»Ganz gewiß, und besten Dank, Mr. Goldfinger. Was immer Sie wünschen . . . man sagt mir, Sie haben draußen einen privaten Krankenwagen?«
Bond öffnete die Augen, blickte den Arzt an - einen netten, jungen Mann mit randlosen Brillen und Bürstenschnitt - und sagte ruhig, aber mit äußerstem Ernst: »Herr Doktor, wir sind beide vollkommen gesund. Man hat uns betäubt und gegen unseren Willen hierhergebracht. Ich verlange den Chef des Einwanderungsamtes zu sehen. Meine Freunde in New York und Washington werden bestätigen, was ich sage. Bitte, glauben Sie mir!«
Der Arzt blickte beunruhigt von Bond auf Goldfinger, der diskret, wie um Bond nicht zu kränken, den Kopf schüttelte. »So geht das nun seit Tagen. Nervöse Erschöpfung, gepaart mit Verfolgungswahn. Dr. Foch sagte, das gebe es oft. Aber ich werde ihn im Harkness wieder hinkriegen, koste es, was es wolle! Vielleicht ist’s auch die ungewohnte Umgebung. Wenn Sie ihm eine Spritze geben könnten . . .«
Der Arzt beugte sich über die Instrumententasche. »Sie werden recht haben, Mr. Goldfinger. Und wenn Harkness sich des Falles annimmt . . .« Die Instrumente klirrten. Mit einem väterlichen Lächeln beugte Goldfinger sich über Bond und sprach mit merkwürdiger Betonung: »Sie kommen wieder ganz in Ordnung, James. Seien Sie nur ruhig und schlafen Sie. Der Flug hat Ihnen nicht gutgetan. Seien Sie ruhig und überlassen Sie alles mir.«
Ein Wattebausch wischte über Bonds Arm. Und während ein Schwall von Flüchen aus ihm hervorbrach, kam die Nadel.
Jetzt war es eine fensterlose, graugetünchte Schachtel von Zimmer, das von einer Deckenschale erhellt wurde. Rund um sie waren konzentrische Schlitze zu sehen, die Luft war neutral, und man hörte das leise Summen der Klimaanlage. Bond vermochte sich aufzusetzen, er war benommen, fühlte sich aber wohl bis auf ein rasendes Hunger- und Durstgefühl. Wann hatte er zum letztenmal gegessen? Vor zwei Tagen, vor drei? Nackt wie er war, setzte er die Füße auf den Boden. Sein Körper wies keinerlei Spuren von Faktos Händen auf. Lediglich ein paar Einstiche am rechten Unterarm waren sichtbar. Bond stand auf, bezwang sein Schwindelgefühl und machte ein paar Schritte. Sein Bett war eine Art Koje auf einem Schubladengestell. Sonst war nur noch ein einfacher Tisch mit geradem Holzstuhl da. Bond kniete vor den Schubfächern nieder und öffnete sie. Außer seiner Uhr und dem Revolver war der gesamte Kofferinhalt da, einschließlich der gewichtigen Schuhe, die er zuletzt getragen hatte. Er drehte einen der Absätze und zog: Sanft glitt das breite, zweischneidige Messer aus der präparierten Sohle. Nachdem Bond sich vergewissert hatte, daß auch der andere Schuh sein Dolchmesser enthielt, drehte er die Absätze wieder zurück. Dann begann er sich anzukleiden. Auch Feuerzeug und Dose mit Zigaretten waren da. Er zündete
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