Goldhort: Ein Mystery-Thriller (German Edition)
beschloss zu warten. Es schien der Beginn einer, zwar nicht gerade wunderbaren Freundschaft, aber doch einer netten Nachbarschaft zu sein. Vielleicht war ja alles bald vergessen und würde nie mehr vorkommen.
„Klaus...“, begann ich neuerlich. „Deine Bratkartoffeln sind einfach fantastisch. Ehrlich. Woher kannst du denn so gut kochen?“
Verlegen kicherte er: „Ich kann eigentlich gar nicht kochen.“
„Ach komm...!“
„Neee, ehrlich. Ich kann nur Bratkartoffeln. Doch die Zubereitung dieser habe ich in jahrelangen experimentellen Versuchsreihen schrittweise immer mehr perfektioniert.“
„Jetzt willst du mich aber auf den Arm nehmen!“
Er sah mich verständnislos an. Klar, wie hatte ich auch annehmen können, dass jemand wie Klaus Scherze macht.
„Es war sehr viel Arbeit, die Bratkartoffeln so zu vervollkommnen, dass sie jetzt schmecken, wie du sie gerade gegessen hast. Zum Beispiel verwende ich zum Braten ausschließlich selbst hergestelltes Kräuter-Butterschmalz. Die Kräuter dazu baue ich ebenfalls selbst an, genauso wie die Zwiebeln. Und ich arbeite weiter daran, eines Tages die absolut vollkommene und perfekte Bratkartoffel herzustellen. Das hier ist nur der Anfang.“
Am liebsten hätte ich laut losgelacht, doch weil er beim Reden so ernst war, blieb auch mir das Lachen im Halse stecken. „Aha“, sagte ich deshalb bloß und nahm einen Schluck aus dem Kristallglas.
„Nun“, erzählte er weiter, „ich kann zwar außer Bratkartoffeln nichts anderes kochen, aber dafür leckeres Schmalz auslassen. Das mache ich ebenfalls selbst. Wenn Sie, äh... du möchtest, mache ich für dich mal ein kleines Töpfchen.“
„Danke. Das ist nett, aber vorerst nicht nötig.“
Gerade wollte ich mich verabschieden, da fiel mir ein, weshalb ich überhaupt hier war. Nicht wegen der Bratkartoffeln, sondern weil ich etwas erfahren wollte. Also lehnte ich mich nochmals entspannt zurück und begann ganz unverfänglich, indem ich auf ein Regal zeigte: „Diese Matrjoschkas da, gehören die auch deiner Freundin?“
„Wieso fragst du?“ wollte er wissen.
„Na ja, ich dachte nur wegen des Posters im Flur.“
„Ja, du hast recht.“ Nachdenklich kratzte er sich hinterm Ohr und seine Augen starrten hinunter auf den oriental-ornamentalen Teppich. „Sie mochte russische Dinge. Sie war selbst Russin, weißt du.“
„Ach so? Könnte es nicht sein, dass sie in Russland ist?“
Er zuckte mit den Achseln. „Die Polizei hat damals die russischen Behörden um Mithilfe gebeten, aber es gibt bis heute keine Hinweise.“
„Hm“, meinte ich dazu, „das ist seltsam. Wird denn weiter nach ihr gesucht?“
„Na ja“, erzählte er langsam, als müsse er erst überlegen, „sie ist in der Vermisstenkartei aufgenommen worden und wann immer ein unidentifiziertes... äh... Opfer gefunden wird oder andere Hinweise auftauchen, werden diese mit der Kartei abgeglichen. Die Kriminalpolizei sagt, dass es ein Verbrechen sein könnte, dass sie sich aber genauso gut irgendwohin abgesetzt haben könnte. Sie hatte immer Heimweh, hmm.“
„Hattet ihr euch gestritten?“ fragte ich frei heraus und schaute ihn erwartungsvoll an.
Überrascht hob er den Kopf, schlenkernd, um das sofort energisch zu bestreiten. „Wir? Niemals! Wir haben uns nie gestritten! Nein. Sie war einfach eines Morgens nicht mehr da.“
„Aha“, antwortete ich und sparte mir alle weiteren Worte.
Ein Paar, das nie stritt – ich wusste nicht, ob ich dies meiner realistischen, um nicht zu sagen leicht sarkastischen Sichtweise der Dinge zu verdanken hatte, die meinen aufmerksamen Lesern nicht entgangen sein dürfte, doch die Vorstellung so einer Verbindung ließ mir sämtliche Schauer über den Rücken laufen und ich spürte, wie sich selbst die feinsten Nackenhärchen hinter meinen Ohren aufrichteten und sträubten, sobald ich diese Antwort vernommen hatte. Erneut war ich nun misstrauisch geworden. Ich wusste nicht, was es mit dem geheimnisvollen Herrn Luchterhand auf sich hatte, doch ich hätte einen Besen gefressen, dass entweder mit seiner Antwort oder mit der Beziehung irgendetwas nicht stimmte.
Nachdem ich mich freundlich und ohne mir meine Skepsis anmerken zu lassen von meinem Nachbarn verabschiedet hatte, wobei ich ihn einlud, nach der Wohnungsrenovierung mal ein Gläschen Wein bei mir zu trinken, ließ ich mir den Rest des Abends auf dem Balkon die erfrischende und würzige Luft, die das Gewitter
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