Goldmond
der Hüfte einknickte, als habe ihm jemand ein daikon in den Bauch gejagt. Verwirrt hielt sie inne. Telarion? Doch dieser lag, soweit sie sehen konnte, immer noch zusammengekrümmt auf der Heide. Er hatte kein Schwert mehr führen können.
Dann überfiel sie der Schrecken. Schatten, die sich so schnell bewegten, dass sie sie kaum zu sehen vermochte, huschten an ihr vorbei. Es war kalt geworden, so kalt, dass Sanara ihren eigenen Atem sah. Zum ersten Mal während des Kampfes drohte die Verzweiflung sie zu übermannen.
Hastig ging Sanara in die Knie. Das Feuerholz, das ihr magisches Feuer gespeist und das sie vor dem Angriff gelöscht hatte, war direkt neben ihr. Einige Töne entzündeten es. Im blassen Licht der kleinen Flamme sah Sanara genauer, was geschehen war.
Telarion lag in der Tat schwer atmend am Felsen, an dem sie selbst gelehnt hatte, vor ihm der Elb, der auch Gewalt über das Feuer gehabt hatte. Der Soldat darüber hatte ihm sein daikon in die Brust gestoßen und riss es nun mit einer brutalen Drehung wieder heraus, die den Elb so verletzt hatte, dass seine Seele den zerstörten Körper mit einem Stöhnen verließ, das von Grauen sprach und Sanara einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ. Drei weitere Elben standen um sie herum, einer kam jetzt direkt auf sie zu, während die anderen zwei im Hintergrund blieben. Hinter sich hörte Sanara einen Zweig knacken, vielleicht waren dort noch mehr.
Die Stille, die auf einmal herrschte, war absolut.
Erst einige Herzschläge später begann Sanara wieder zu atmen. Sie stürzte auf den Elb zu, der nach wie vor reglos über Telarion und der Leiche des Larondar-Elben stand.
»Nein!« Telarions Ruf war überraschend kraftvoll, doch er erreichte Sanara zu spät. Ihr Schwung trug sie mit gezücktem Messer weiter auf den Elben zu, der ihren Waffenarm mit elbischer Kraft und Geschwindigkeit packte, die bewiesen, dass er reinblütig und darüber hinaus ein geschickter Kämpfer war.
Sanara schrie auf, als der Knochen ihres Unterarms in seinem erbarmungslosen Griff zersplitterte. Sie ließ das Messer fallenund ging in die Knie, doch zu ihrer Überraschung wurde sie von dem Angreifer aufgefangen und an den Stein gepresst, der dem Findling, an dem Telarion lehnte, gegenüberstand. Dann beugte er sich vor, und sein erstickender Schatten senkte sich über sie.
Kapitel 9
»Telarat, der Sieger der Faringar-Schlacht, weinte, als er die vielen Toten auf dem Schlachtfeld sah. Zu viele seines eigenen Volkes lagen hier, doch noch mehr Menschen – und als Heiler kannte er die Aufgabe, die Vanar ihm mit der Gabe des Lebens geschenkt hatte, besser als jeder andere seines Volkes. Als Herr des Lebens trug er Verantwortung für alle Wesen, auch – und besonders – für die Geschöpfe des Jüngeren Mondes. Denn auch dazu hatte der Goldmond seinen Kindern die Gabe verliehen, Leben zu schenken – und es zu hüten. Telarat war als König der Elben diese Gabe in besonders reichem Maße geschenkt und hier, angesichts des unermesslichen Leids und der unzähligen Toten, wusste er, dass nichts sein Tun, als Heerführer in diese Schlacht zu gehen, je wieder würde gutmachen können.«
Von den Kriegen zwischen Elben und Menschen
Vierte Rolle der Schriften des Klosters der Weisen Zwölf
A ls Sinan das Bündel mit seinen wenigen Habseligkeiten zuschnürte, musste er sich nicht umdrehen, um sich des traurigen Gesichtsausdrucks Rangis gewiss zu sein. Niavashs Lehrling, dem er während des letzten Mondumlaufs die alten Gesänge der Schmiede beigebracht hatte, schien den Abschied des Fremden, der ihm zum Freund geworden war, noch mehr zu bedauern als sein eigentlicher Lehrherr.
»Musst du wirklich gehen?«
Sinan hielt inne. Das Bündel barg nur wenige Gegenstände und bestand hauptsächlich aus Proviant, einem Becher und einem Essbesteck. Auch eine aus dünnem Stein gefertigte Dose für Heilkräuter war dabei, die ihm Lahita geschenkt hatte. Sie hatte einen derSteinmetze, den Mann einer Freundin, gebeten, sie herzustellen, und wieder strichen Sinans Finger versonnen über die feine Arbeit. Bilder von Kristallen, den Sternen und auch einer Sonnenechse befanden sich darauf; Zeichen, die man im Allgemeinen mit dem Reich Guzar verband. Dass sie auch zum Wappen des Hauses Amadian und damit zu ihm gehörten, empfand Sinan als angemessen. Lahita war eine einfache Frau aus dem Volk. Sicher war ihr nicht bewusst, welche Bedeutung diese Symbole für ihn hatten, doch das machte ihm die Dose
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