Goldmond
nur umso kostbarer. Er nahm sich vor, dass er dieses Geschenk ebenso in Ehren halten würde wie den Sickenhammer, den der Älteste des Abendtempels ihm zur Weihe geschenkt hatte und den er immer an seinem Gürtel trug.
Kurz tastete er nach dem Hammer, dann wandte er sich zu Rangi um. »Ja, das muss ich. Ich kann nicht bleiben. Ich habe eine Aufgabe, von der ich noch nicht weiß, wie ich sie lösen soll. Das werde ich nur im Tempel der Tiefe erfahren.«
Rangi sah ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Bewunderung an. »Eine Aufgabe. Im Namen der Schöpfergeister! Das klingt nach großen Heldentaten! Ich wünschte, ich hätte auch den Mut, loszugehen und für die Freiheit unserer Brüder im Norden zu kämpfen.«
Sinan schüttelte den Kopf. »Wünsche dir das nicht. Manchmal ist es mutiger, in der Heimat zu bleiben und für das Wohlergehen derer zu kämpfen, die einem nahestehen.«
»Sinan hat recht«, ließ sich Lahita aus der Tür der Werkstatt vernehmen. Sie bereitete gerade das Abendbrot zu. »Sagtest du nicht erst gestern, du wollest die Tochter vom Schmied am Ende der Straße beeindrucken? Glaube mir, sie findet einen Mann, der für seine Familie lebt, sicher anziehender als einen Helden, der morgen schon wieder fort ist und mit großer Wahrscheinlichkeit einen grausamen Tod sterben wird.«
Rangi schnitt eine Grimasse.
Sinan musste lachen, doch er wurde schnell wieder ernst. »Ich werde euch vermissen.«
»Wir dich auch«, sagte Lahita. »Was du Rangi und Niavash beibrachtest, kannst du nicht ermessen.«
Verlegen wandte Sinan sich ab. »Ich danke dir noch einmal für die Dose«, sagte er dann. »Sie bedeutet mir viel.«
Lahita nickte. »Es war das Mindeste, was ich dafür geben konnte, dass du meine Schalen und Mörser gesegnet hast.« Sie warf einen Blick auf das Bündel und auf Sinans Tracht.
Er hatte außer dem jibahan , den Lahita sorgfältig geflickt hatte, noch einen leuchtend orangefarbenen darstar um den Kopf gewunden. Die Blässe seiner Haut war in den letzten Zehntagen einer gesunden Bräune gewichen, sodass er nun, da die blonden Haare unter dem Tuch versteckt waren, wie ein Händler aus dem südlichen Guzar aussah.
»Du bist reisefertig. Doch ich glaube, du solltest noch warten, bis Niavash wiederkommt.«
Sinan nickte. »Das wollte ich in jedem Fall.« Er sah die Gasse hinab, die wie jeden Tag mit Leben erfüllt war. Schmiede gingen ihrer Arbeit nach, Frauen schwatzten auf dem Weg zum Brunnen oder zum Markt miteinander, dazwischen feilschten Händler und rannten spielende Kinder umher. Der Frieden, den dieses Bild ausströmte, rief in Sinan einerseits Freude hervor. Andererseits spürte er aber auch Bedauern, dass er nicht bleiben konnte.
Doch er wusste, dass er das Schwert würde fertigstellen müssen. Es musste dem Heiler in die Hände gegeben werden.
Er hatte lange über die Vision – die Shisani Varashti hatte es für die Nachricht des Schöpfergeistes der Veränderung gehalten – nachgedacht, die ihm in der kleinen Bibliothek des Syth-Tempels gekommen war.
Hilf deiner Schwester. Sie, die Seelenherrin, braucht dich.
Das hatte er während seines Aufenthaltes in den Jenseitigen Nebeln gehört, und Sinan war sicher, dass es der Geist seines Vaters gewesen war, der ihm das kundgetan hatte. Es war nicht das erste Mal gewesen, dass er an seinen Vater erinnert wurde. Im Tempel des Westens hatte es Shisans gegeben, die offen behaupteten, Siwanon hüte das Siegel der Welt. Selbst Ronan, der Flötenspieler, den er auf dem Heerzug von Kharisar nach Bandothi kennengelernt hatte, war davon überzeugt gewesen, dass nur ein Seelenherr, einer, der den Nebeln befahl, in der Lage war, es zu finden. Er hielt Sinans Schwester Sanara für diejenige, die das vollbringen konnte.
Die Legende berichtete, es befinde sich halb in den Nebeln der Jenseitigen Leere, halb in dieser Welt. War es so, dann konnte wirklich nur ein Seelenherr es erreichen, und dann war Sanara stark genug, es zu finden.
Soviel Hoffnung Sinan mit dieser Vorstellung verbunden hatte – er hatte sie in dem Moment aufgegeben, als er erkannte, dass Sanara sich mit dem Bruder des Mannes verbunden hatte, der Siwanon getötet hatte. Sie war verloren, das, was sie hätte erreichen können, war verloren.
Doch ausgerechnet hier im Süden, dem Land des Syth, des Schöpfergeistes, den er, Sinan, immer verachtet hatte, hatten die Erfahrungen ihn gelehrt, dass es möglicherweise genau umgekehrt war. Vielleicht war seine Schwester nicht schwach
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