Goldmond
gewesen. Vielleicht hatte sie getan, was er immer gehofft hatte, nur auf andere Weise. Und nun war es an ihm, sie im Namen seines Volkes zu unterstützen. Vielleicht war richtig, was der Händler Gajibian in seiner raffinierten Schläue, die den Händlern und Piraten von Undori zu eigen war, vor Sinan erkannt hatte: Vielleicht war es Schicksal. Vielleicht war es das Beste, was den Menschen hatte passieren können, dass eine Amadian gerade mit diesem Elbenfürsten die Seele geteilt hatte.
Sinan erinnerte sich daran, wie oft Telarion Norandar wider sein »besseres« Wissen und entgegen seinen eigenen Vorurteilen gehandelt hatte. Er hatte Tarind immer wieder in seiner Grausamkeit gebremst, hatte seine Soldaten bis zur eigenen Erschöpfung geheilt, wenn es nötig war, ohne sich selbst zu schonen. Hatte ein gequältes Menschenkind vor dem gesamten Hof und entgegen den Willen derer, die zu seinem eigenen Volk gehörten,vom Eis gelöst und seine Mutter und Schwester aus den Händen der Wachen befreit. So benahm sich einer, der das Leben achtete und den Tod hasste.
Er erinnerte sich auch an das Entsetzen in den Augen des Fürsten, als Sinan ihm gesagt hatte, dass Sanara nicht bei ihm sei. Es war nicht das Entsetzen gewesen, das einer empfand, der eine Waffe verloren hatte, sondern Einsamkeit, übergroße Enttäuschung, als habe er etwas existenziell Wichtiges verloren.
Gajibian hatte gesagt, dass der Fürst von Norad nicht mehr Heermeister sei. Und doch stand das Elbenheer schon vor dem Kantar-Gebirge, an dessen Rand Farokant lag. Ein anderer Teil war auf dem Weg zur Hauptstadt Solifes, um den Zaranthen dort zu besiegen. Sinan musste sich eingestehen, dass Telarion Norandar vielleicht entgegen seinen früheren Vorstellungen doch nicht die Kraft gewesen war, die diesen Krieg begonnen hatte. Es sah ganz so aus, als seien das andere. Die Witwe Tarinds. Und ihr Halbbruder.
Mit einem Mal ist er wieder ein Junge und erlebt seine Weihe im Tempel des Abends, dem Tag, an dem er vom König der Elben zerstört wird. Er kauert im Allerheiligsten des Akusu und späht durch das Maßwerk in den Gebetssaal.
Der Blick des Mannes, der neben dem König steht, ist kalt und wirkt leblos, ohne Gefühl, als er über die Anwesenden schweift. Sinan kann es kaum glauben, als er erkennt, dass die dunkelblauen Augen von Prinz Tarinds Begleiter runde, dunkle Pupillen haben wie seine eigenen. Das ist kein Elb. Da steht ein Mensch neben dem Prinzen.
Aber wie kann ein Mensch blaue Augen haben?
Sinan richtete sich auf, straffte den Rücken und sah in Erwartung von Niavash die Gasse hinab.
Es passte alles zusammen. Darum hatte der Fürst seinen Zwilling getötet. Er war dem Grundsatz, er töte die, die das Leben verachteten, treu geblieben. Widerwillige Bewunderung stieg in Sinan auf.
Du musst deiner Schwester helfen. Und warum auch immer sie es getan hatte, sie hatte ihre Seele diesem Mann geschenkt, der das Leben so achtete, dass er sogar bereit war, seinen Zwilling zu opfern. Es war klar: Das Schwert, das Sinan geschmiedet hatte, musste in die Hände dessen, der die Kraft des Lebens besaß – so wie einst Vakaran das Schwert gemacht hatte, das es dem Heiler Telarat ermöglichte, den Krieg zu beenden.
So oder so: Zuerst musste das daikon fertiggestellt werden – Niavashs Werkstatt war nicht gut genug ausgestattet. Eine bessere Schmiede musste ersetzen, was seine lahme Hand nicht mehr vermochte. Es gab nur wenige Orte, die heilig genug und von ausreichender Magie durchdrungen waren, um das zu erreichen. Nur im Tempel der Tiefe bestand die Chance, dass er genügend Magie aufbrachte, um den Kräftemangel seiner Hand auszugleichen. Immer vorausgesetzt, dass es das war, was Sinan tun musste, um die durchtrennte Sehne seiner Hand endgültig zu heilen.
Sinan konnte ein Lachen nicht unterdrücken, als ihm klar wurde, was für einem Märchen er da zu folgen gedachte. Vielleicht ist Ys doch in unser aller Leben am Werk. Und wahrscheinlich wusste nicht einmal der Fürst selbst, was er tat, als er mich in sein Zelt holte, mir seine Verachtung aussprach und mir befahl, ihm ein neues Schwert zu schmieden.
Er dachte an den Moment zurück. An den winzigen Augenblick, in dem er und Fürst Telarion sich angesichts eines wundervollen Werkstücks, eines Schwerts, wortlos verstanden hatten.
Manchmal waren die Dinge nun einmal wie im Märchen.
»Wenn ich du wäre, würde ich jetzt auch lachen«, erklang eine Stimme neben ihm. Es war Niavash, der mit großen
Weitere Kostenlose Bücher