Goldmond
die Gerüche des Waldes, der die Kämpfer umgab, der Duft nach nasser Heide, Blüten und Farn, wurde betäubend. Ebenso schwollen die Furcht und die Kälte an, die all dies Sanara einflößten.
Wieder sah sie ängstlich zu Telarion hin. Vor ihm lag der letzte der drei Angreifer. Selbst im schwachen Licht aller drei Mondewar der dunkle Fleck auf seinem Rücken zu erkennen, den das Blut gebildet hatte – ebenso das daikon , das aus dem Rücken ragte. Offenbar war auch er tot. Sanara lief ein Schauder über den Rücken. Sie hatte gemordet.
Vor wenigen Mondumläufen noch hätte – hatte! – sie das nicht bekümmert. Nur ein toter Elb war ein guter Elb, und umso besser, wenn sie selbst den Tod brachte.
Doch jetzt war sie eine Weise. Sie hätte nicht töten dürfen, auch wenn eine Stimme in ihr rebellierte, dass sie es gewesen seien, die einfache, schlafende Reisende angegriffen hatten. Sie hätte es nicht tun dürfen.
Sanara musste es genau wissen. Als sie die Augen schloss und einige Töne summte, die sie in die Leere bringen sollten, erkannte sie niedergeschlagen, dass auch auf der anderen Seite die Körper nur dunkle Flecken waren. Die Seelen aller drei Elben hatten ihren Körper endgültig verlassen.
Und sie, eine Weise, die der Welt Segen bringen sollte, hatte zwei von ihnen in die Nebel geschickt und ihnen damit die Möglichkeit genommen, zu genau diesem Segen beizutragen. Das stand im Widerspruch zu dem, was sie im Tempel der Weisen gelernt hatte.
Sie wandte sich ab, schloss die Augen und drängte die Tränen zurück. Dann begann sie, so leise es ging, das Lied zu singen, das eine Seele zu ihrem Schöpfer begleiten sollte.
Doch kaum hatten ein paar der Töne ihre Lippen verlassen, als sie an der Schulter herumgerissen wurde. Sie spürte einen scharfen Schmerz auf der Wange, und jäh wurde ihre Seele aus den Nebeln gerissen. Sie erkannte, dass einer der Elben sie geschlagen hatte.
Einen Herzschlag später lag ein wakun an ihrer Kehle.
»Ich verbiete dir die üblen Gesänge deines Volkes in unserer Anwesenheit!«, zischte es direkt vor ihr. »Hast du das begriffen, Weib?«
Sanara konnte nichts sagen, und als sie vor Furcht schluckte,drückte ihre Haut schmerzhaft gegen die Schneide des Dolchs. Dann kitzelte es in ihrem Dekolleté. Sie blutete.
Der Mann meinte es ernst. Erst jetzt glaubte Sanara zu erkennen, dass es der Elb war, der ihr erst den Arm gebrochen und ihn dann geheilt hatte. Die Wunde an ihrer Kehle heilte er nicht.
Sie nickte hastig.
Langsam zog der Mann seinen Dolch zurück und wandte sich wieder Telarion zu. »Du siehst aus wie ein Norani-Elb«, sagte er grimmig. »Ein junger Heiler aus dem Palast der Winde.«
Telarion richtete sich mühsam auf. Dabei hielt er sich die Seite, die offenbar schmerzte.
Der Elb sah auf die Wunde. Das Hemd, das Telarion trug, war dort zerrissen und feucht von Blut. Der Mann schnaubte und kniete sich neben Telarion. Mit einem Ruck verbreiterte er den Riss und presste dann seine Hand auf die Wunde. Telarion zuckte zusammen und stöhnte auf. Kurz war ein goldener Schimmer unter der Hand des Fremden zu sehen, dann entspannte sich Telarions Gesicht etwas.
Der Elb zog die Hand zurück. »Die Wunde ist nun geschlossen.« Sein Blick wanderte von seinem Patienten zu Sanara und von dort über den Lagerplatz. Dann sah er wieder Telarion an. »Wenn ich nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dass dieses Larondar-Halbblut den Dolch führte, der dich traf, müsste ich glauben, dass es diese dort war, die dir das antat.«
»Mein Schmerz sagt mir, dass der Dolch der roten Magie der Erde geweiht war«, erwiderte Telarion gepresst. »Doch sie ist Feuermagierin.«
»Das war dieser Abschaum hier auch«, gab der Elb zurück. »Es hinderte ihn nicht, den Dolch zu führen.« Er hob die Klinge auf, die noch neben Telarion lag, und betrachtete sie. »Es ist kein qasarag , das ist wohl dein Glück, Heiler, sondern nur ein einfaches Kupfer- wakun , in dessen Klinge die Erdzeichen eingraviert wurden. Ich konnte wohl die Wunde schließen, doch nicht die dunkle Magie dieses Dolchs vertreiben. Sie ist nicht sehr stark,dennoch wird sie dich in den kommenden Tagen zunehmend schwächen.«
Er richtete sich auf und schlug den Dolch in ein Leintuch ein, das er mit sich führte. Dann reichte er das Päckchen mit einem kurzen Befehl an einen seiner Männer weiter. Der Soldat nickte und verschwand in der Nacht.
»Nun. Offenbar bist du einer der Unseren und brauchst Hilfe. Doch was dich
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