Goldmond
bewogen haben mag, mit einer vom dunklen Volk zu reisen, ist mir unverständlich.«
Er sah Telarion herausfordernd an, als erwarte er eine hinreichende Erklärung oder gar Entschuldigung für diesen Umstand. Doch Telarion zögerte mit einer Antwort.
Sanara wusste nicht, ob es daran lag, dass er verletzt war, ob seine Magie schwach war oder ob er sich den Elben, die offenbar Angehörige seines Volkes waren, nicht zu erkennen geben wollte.
Als sie zu ihm herübersah, erwiderte er den Blick. Doch seine Miene blieb steinern.
Sanara entschied, sein Zögern zu nutzen. Sie war eine Weise. Den Shisans und Shisanis dieses Ordens gebührte Respekt – und sie selbst hatte den Segen sowohl des Dunklen als auch des Goldenen Monds erhalten. Sie hatte sich für nichts zu schämen.
Sie überwand die Angst, die ihr Herz ergriffen hatte, und richtete sich langsam auf. Dann neigte sie das Haupt vor dem Elb und breitete zum Gruß die Hände aus.
»Wir haben unsere guten Gründe, gemeinsam zu reisen. Wir sind im Auftrag der Ys unterwegs, und wie Ihr an dem Angriff sehen konntet, gehören wir nicht zu den Larondar.«
Der Anführer der Elben kam einen Schritt auf Sanara zu und sah auf sie herab, als habe ein pattu , ein Nagetier, das oft in der Gosse vorkam und sich von Abfällen ernährte, zu sprechen begonnen.
»Es scheint so«, gab er zurück. »Wir bringen dem Volk der Königin keine große Sympathie entgegen. Doch in der Regel behelligen wir uns nicht.« Er kam noch etwas näher. »Und um es dir klar zu sagen, Menschenweib, hätten diese Halbblute dich allein angegriffen, hätten wir nur zugesehen. Eine Feuermagierin weniger auf der Welt bedeutet weniger Leid. Er sollte das wissen!«, fügte er mit einem Seitenblick auf Telarion hinzu. »Doch wir gestatten keinem Larondar, einen Norani anzugreifen. Schon gar keinen Heiler.«
Die Angst kroch in Sanaras Nacken immer höher, als der Hauptmann sich näherte. Hätte sie nicht den Felsen im Rücken gehabt, sie wäre aufgesprungen und davongelaufen. So aber war sie gefangen.
»Wir haben dem Volk der Norad eine Bitte der Weisen vorzutragen. Doch wir können sie nur dem Fürsten Norandar persönlich schildern.«
Das Blut rauschte so laut in ihren Ohren, dass sie die eigene Stimme kaum hörte.
»Dem Fürsten persönlich?« Der Elb gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen Lachen und Schnauben lag.
Sanara ging nicht darauf ein. Sie hob den Kopf, ließ die Arme aber ausgebreitet. »Ich bin Sanara, eine Shisani der Weisen vom Tempel der Quelle«, sagte sie unbeirrt höflich. »Wer, bitte, seid Ihr? Ich muss es wissen, um Euch angemessen begrüßen zu können.«
Der Elb hob die Brauen. Mit einem Seitenblick auf Telarion, der weiterhin schwieg, erwiderte er: »Mein Name ist Qamar. Ich bin Hauptmann der Grenzer und diene Damastan, unserem Fürsten. Und ich sage euch, die Weisen sind hier nicht wohlgelitten. Sie sind kaum besser als die Diener des Dhabyar, da sie die reinen Kräfte des Goldmonds mit den verderbten des Akusu mischen. Ich wusste nicht, dass sie sich noch unters Volk mischen.«
Sanara schwieg und brauchte ein paar Herzschläge lang, um sich zu fassen. Dass die Weisen hier so wenig Anerkennung erfuhren, hatte sie nicht erwartet. Dann fiel ihr ein, dass in diesen Zeiten nur kaum bekannt war, dass es einen Ort wie den Tempelder Quelle überhaupt gab. Noch weniger bekannt war, dass sich die Weisen einst als Orden der Ys verstanden hatten.
Was ihr selbst in den letzten Mondumläufen so selbstverständlich geworden war, war es in der Welt, in der sie zehn Jahre als Kind und weitere zehn als Schankmädchen verbracht hatte, nicht. Und doch machte es sie stolz, dass gerade sie, das Mädchen aus der Gosse, die Heimatlose, nun einen Ort hatte, an den sie gehörte. Sie hielt dem Blick des Hauptmanns stand, als sie antwortete.
»Das tun die Meinen selten, doch in Zeiten der Gefahr kommt es vor.«
Qamar schien das zu erwägen. »Soso«, sagte er schließlich. »Davon hörte ich. Und Ihr … Shisani, tragt in der Tat die hataka der Weisen. Doch ein solches Kleidungsstück kann jeder anziehen. Wenn es so ist, wie Ihr sagt, wird Euer Weihezeichen für sich sprechen.«
Sanara errötete, hob den linken Arm und schob den Ärmel ihrer hataka zurück.
Ein knapper Wink Qamars veranlasste einen seiner Leute, eine Laterne über Sanaras Arm zu halten. Wieder hoben sich die Brauen Qamars beim Anblick der Zeichnungen.
»So habt Ihr nicht nur Feuer, sondern auch Wind in Euch.« Er warf
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