Goldmond
dann wird sie dir auch sagen, was damit zu geschehen hat. Und dann wirst du auch wissen, wie es aussieht.
Habe Geduld, Tochter.
Telarions Atemzüge verrieten Sanara, dass er eingeschlafen war. Sie gingen regelmäßig, waren aber nicht so leicht wie in den Nächten zuvor. Sie streckte die Hand aus und strich sanft über seine Wange. Doch auch das weckte ihn nicht. Es wunderte sie nicht. Ein solches Baumhaus, der Wald … diese Umgebung war seine Heimat.
Sie dachte über ihr Gespräch nach. Es klang einfach: Sie gingen zum Fürsten von Norad und versicherten sich seiner Allianz. Doch auch wenn Telarion zuversichtlich geklungen hatte, ahnte Sanara, wie schwierig es werden würde.
In Wahrheit fürchtete er sich vor der Rückkehr in seine Heimat.
In den nächsten Tagen hätte Sanara ihn gerne gefragt, ob es sich so verhielt, doch sie fand keine Gelegenheit. Telarion sprach nur wenig mit den Norani, die sie nach Darkod begleiteten. Er begegnete ihnen mit Respekt, doch so, als sei er ihnen zumindest gleich- wenn nicht sogar höhergestellt. Doch auch mit ihr sprach er wenig, er hielt sich von ihr fern. Er verhielt sich für die Elben so, als sei sie nur wenig mehr als seine Reisegefährtin. Sie konnte das verstehen, er wollte diesen Elben nicht als der Königsmörder gelten, der er war. Doch dass er das geheim hielt, hatte auch Folgen für sie.
Die Momente mit ihrem Geliebten wurden rar für Sanara. Ab und zu ließen die Elben sie allein, wenn sie auf die Jagd gingen oder ihnen Zeit für ein Bad in einem Bach oder ähnlichem gaben. Dann war es möglich, dass Sanara einen flüchtigen Kuss erhaschte, eine kurze Berührung oder gar eine Umarmung Telarions. Nur einmal hatten sie Gelegenheit zu mehr; als man sie in einem Quartier ähnlich dem ersten unterbrachte, zog er sie verlangend an sich. Sie gab nach, doch es war heimlich und fühlte sich an, als stehle sie, das Gossenmädchen, ihm, dem Prinzen, etwas, was er offiziell nicht geben konnte. Nicht geben durfte.
Aber sie ertrug es. Ys hatte ihr nichts versprochen. Telarion hatte recht gehabt, als er ihr sagte: Mendari, lasst uns nicht vergessen, welch ungeheure Aufgabe vor uns liegt. Sie ist wichtiger als das, was wir gemeinsam träumten – so schön es gewesen sein mag.
Oft kam ihr nun der Gedanke, ihm gänzlich fernzubleiben. Dann wäre er frei zu tun, was er tun musste, das Reich der Elben zu einen und den Frieden in der Welt und mit den Menschen wiederherzustellen. Sanara wusste, dass es naiv war zu glauben, dies alles würde sich von allein ergeben, wenn Syth das Siegel segne. Es würde einen brauchen, der Macht hatte und in der Lage war, diese auszuüben. Der sich Respekt verschaffen konnte und glaubwürdig war. Das alles traf auf Telarion zu. Sicher hatte Ys auch deshalb gerade ihn zu ihrem Gefährten gemacht. Sie beherrschte die Nebel, die Leere, die Magie, die die wirkliche Welt zwar erfüllte, doch nicht immer greifbar war.
Er beherrschte das Leben. Die wahre Welt.
Und wenn Sanara ihn mit den anderen Elben sah, war sie sicher, dass es das war, was er wollte.
Vielleicht wäre es auch für sie das Beste gewesen. Sie hätte nur noch die Aufgabe im Blick haben müssen, in den Süden zu reisen und sich von Syth segnen zu lassen. Die Zeit bis dahin war absehbar, und vielleicht verschwand mit dem Segen des Syth nicht nur das Siegel, das sie in sich trug, sondern auch die Liebe zu Telarion, die das Siegel – dessen war sie sicher – in sich barg.
Wäre die Aufgabe erst beendet, das wusste sie, würde sie im Tempel der Quelle, im Kloster der Weisheit, willkommen sein. Sie hatte dort ein Heim.
Doch die Seligkeit, die sie empfand, wenn er sie berührte, in die Arme nahm oder auch nur, wenn er ihr ein kurzes Lächelnschenkte, sprach eine andere Sprache. Der gute Vorsatz, nur an die Aufgabe zu denken, war in den Augenblicken völlig vergessen, wenn seine kühlen Finger das Feuerzeichen auf ihrem Arm nachfuhren, die wenigen Male, in denen sie ihre Lippen auf seine Haut drücken durfte. Wenn sie seinen Mund an ihrer Wange spürte und seine Freude, ihr nah sein zu können, in ihre Seele strömte. In solchen Augenblicken gab es keinen Stolz mehr, keine Bedenken. Dann war nur seine Nähe wichtig. Bis er sie losließ und der Augenblick ins Zentrum rückte, an dem er es wieder täte.
Schließlich erreichten sie Darkod.
Der Wald war hier so groß, wie ihn Sanara noch nicht gesehen hatte. Es war, als hätte die Anwesenheit der Norani-Elben den Wuchs der Pflanzen
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