Goldmond
verdanken! – Ich verlasse mich auf dein Wort als Norani und als Shisan des Lebens«, fuhr er versöhnlicher fort. »Ruht nun. Ihr seid beide schwach, doch erst in Darkod wirst du, Heiler, deinesgleichen finden, die dir die Erdmagie, die deine Seele beschwert, nehmen können.«
Er gab einem seiner Männer einen Wink und wandte sich endgültig ab. Der Soldat wies mit einer Hand auf eine Seite des Raumes, wo die Balustrade unterbrochen war – ein Ausgang, wie Sanara bemerkte. Ein Ast zeigte sich darunter, auf den man Bohlen gelegt hatte, sodass der Weg glatt und so eben wurde, dass man ohne Gefahr darauf gehen konnte. Doch auch hier gab es kein nennenswertes Geländer, nur ein fest gedrehtes Seil aus Resatrinde. Es verlief auf Höhe von Sanaras Knie und wirkte eher wie eine Zierde, nicht wie ein Schutz gegen einen etwaigen Sturz. Offenbar gingen die Erbauer dieser Brücken und Häuser in den Bäumen davon aus, dass sich die Bewohner auch bei Feuchtigkeit oder Sturm auf den Bohlen halten konnten.
Sanara musste sich erneut überwinden, dem Mann zu folgen, der auch ihr Gepäck trug. Ihr Gefährte war hinter ihr. Ohne sie zu berühren, war er so nah, dass sie ihn spürte. Es beruhigte sie etwas.
Wortlos ging der Norani voran, über Brücken und durch andere Räume, bis er auf einer Plattform ankam, die ähnlich der ersten war, auf die man sie gebracht hatte, nur entschieden kleiner. Einige wenige dünne Matten lagen in einer Ecke, ein flacher Tisch stand daneben. Der Soldat stellte die Lampe, die ihm den Weg geleuchtet hatte, darauf ab, das Bündel mit den Habseligkeiten der Reisenden warf er achtlos neben die Matten.
»In diesem Schrank dort findet ihr Nahrung und Kräuterwasser«, sagte der Mann noch knapp und wies in eine Ecke. »Versucht nicht zu fliehen, der Weg führte an uns vorbei, sofern ihr nicht die vierzig Klafter zum Boden springen wollt.«
»Wozu sollten wir das wollen«, gab Sanara ärgerlich zurück. »Ich sagte deinem Hauptmann schon, dass wir euren Fürsten zu sprechen wünschen. Und zu dem werdet ihr uns doch bringen.«
»So lautet Qamars Befehl, ja«, gab der Soldat gelassen zurück. Ihm schien ihr Ärger Vergnügen zu bereiten. »Ich wünsche Euch eine gute Nachtruhe … Shisani.«
Er warf Telarion einen verächtlichen Blick zu und wandte sich zum Gehen.
Telarion sah ihm nach, bis er im dichten Laub verschwunden war, und ließ sich dann mit einem leisen Stöhnen auf den dünnen Matten nieder. Sie lagen direkt vor einem Stamm, der den Raum an dieser Stelle abschloss und so ein wenig vor Wetterunbilden schützte.
Er schloss die Augen und drückte die Hand wieder auf die Seite.
Sanara kniete sich neben ihn. Behutsam nahm sie seine Hand von der Wunde und schob sein Hemd fort. Die Wunde war geschlossen, sie blutete nicht mehr, doch sie war verkrustet von Dreck, von Fasern des Hemds und von Blut. Sanara stand auf, goss etwas Wasser in eine ihrer Schalen und begann, die Wunde zu reinigen. »Kein Wunder, dass dieser Hauptmann sagte, sie schmerze. Er hätte sie besser gereinigt, bevor er sie heilt; dass das ratsam gewesen wäre, weiß selbst ich!«, knurrte sie und hielt kurz inne, als sie spürte, wie sehr seine Muskeln zuckten, während sie sich an ihm zu schaffen machte. Doch er sagte nichts. Nur der Ausdruck seines Gesichts sprach von dem Schmerz, den er empfand. Sie ließ den Lappen sinken, legte ihre Hand auf seine Wange und lehnte ihre Stirn an seine.
»Es tut mir so leid. Ich hätte dich wecken müssen, als sie angriffen«, sagte sie dann leise. »Aber ich wusste, dass deine Lebenskraft seit der Beschwörung der Nebel durch Ys und mich gelitten hat und wollte dir Ruhe gönnen.«
Telarion lachte leise und mit geschlossenen Augen. »Glaubst du tatsächlich, dein Aufstehen hätte mich nicht geweckt? Ich war von dem Moment an wach, als du den Atem anhieltest und in die Nacht gelauscht hast. Ich wäre ein schlechter Feldherr gewesen, würde mich in einer Nacht unter freiem Himmel nicht das leiseste Geräusch wecken!«
Sanara musterte ihn mit großen Augen. »Wie konnte dir dann dieser Unselige einen Dolch in die Seite rammen?«
Telarion lehnte sich an den Stamm, der hinter ihm in den Raum hineinragte. Erneut musste er ein Stöhnen unterdrücken. »Dieser Mann wurde von Hass getrieben. Er war ein guter Kämpfer, und ich war, wie du richtig sagtest, schwach. Er durchbrach meine Deckung.«
Sanara hielt wieder inne. »Ich wusste nicht, dass jemand das kann, Daron Elb!«, sagte sie halb erstaunt,
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