Goldmond
Schülerin im Zimmer befand.
Vielleicht lag es daran, dass diese Frau gerade aus den Wäldern kam und ihrer Haar- und Augenfarbe nach zu urteilen aus den Ebenen von Kantis im Norden stammte, doch die Luft war mit ihrem Eintreffen kalt geworden und roch nach verbranntem Yondarharz und zerriebenen Mayalablättern.
Sanara schloss die Augen. Der Duft war vertraut. Unwillkürlich sog sie ihn tief in die Lungen und spürte, wie er ihr Herz flattern ließ, als wolle sich ihre Seele wieder in die Wolken schwingen.
Viel zu schnell sagte ihr Verstand ihr, woher sie diesen Duft kannte. Es war der Duft, der den Königsbruder umwehte. Er gehörte zu der Qual, die man ihrer Seele in der Gefangenschaft angetan hatte, und das war nichts, wonach sie sich hätte sehnen sollen.
Dennoch war die Unruhe, die dieser Duft weckte, kaum zu bezähmen.
»Eure Ehrwürdigkeit möge mir die Unterbrechung verzeihen. Wie Ihr wisst, trafen wir auf unserem Kontrollgang zwei Fremde«, wisperte die Shisani jetzt. »Einer von ihnen ist ein elbischer Fürst, er bestand darauf, Euch sofort zu sehen, ohne Rücksicht auf unsere Hinweise, dass Ihr eine Schülerin bei Euch habt.«
Sie warf Sanara einen kurzen Seitenblick zu, der der Feuermagierin die Röte in die Wangen trieb.
Sanara hätte zu gern gewusst, welcher Elbenfürst hier Einlass begehrte, doch es war klar, dass die Shisani es nicht für angemessen hielt, vor einer Schülerin mehr zu sagen. Sie stand auf, senkte den Kopf und breitete die Arme vor dem Ältesten aus.
»Ich sehe, Eure Aufmerksamkeit wird von Wichtigerem beansprucht«, sagte sie höflich. »Ich werde Euch zu späterer Zeit wieder aufsuchen.«
Der Älteste nickte. »Glaube nicht, ich hätte dein Anliegen nicht verstanden, Sanara aus dem Haus Amadian. Ich denke, wir werden uns bald wiedersehen. Habe indes keine Zweifel an dir. Lerne, mit der Kraft, die du in dir spürst, umzugehen. Teile sie nicht und schließe nichts aus«, fügte er mit einem Blick hinzu, den Sanara nicht deuten konnte.
Sie nickte einmal zum Zeichen dafür, dass sie die Worte des Weisen verstanden hatte, wandte sich um und ging hinaus.
Auch wenn sie es erwartet hatte – die Angst, die sie überfiel, als sie über die Schwelle hinaustrat, war beinahe unerträglich. Die Anwesenheit von Kindern des Vanar hatte diese Wirkung auf jeden Menschen. Doch die Angst, die Sanara empfand, bestand aus konkreten Bildern: Folter, unendliche Kälte, die Hilflosigkeit angesichts der Schande, die man ihr aufgezwungen hatte.
Für einen Augenblick konnte sie nicht weiter, zu genau kannte sie den bitteren Duft von zerriebenen Mayalablättern, der sich mit dem trockenen, rauchigen Duft von verbranntem Yondarharz mischte und der die Furcht bis ins Unerträgliche schürte.
Sie musste sich beherrschen, um nicht davonzulaufen. Doch dann zwang sie sich, sich der Angst, die wie eine Spinne in ihremNacken hockte, zu stellen. Sie öffnete die Tür und trat hinaus, um demjenigen in die Augen zu blicken, mit dem Sanara Gefangenschaft, Angst und erbarmungslose Folter verband. Dass er sie als Schankmädchen und Gefangene kennengelernt hatte und als Dunkelhexe und Feuermagierin verachtete, spielte hier, vor den Gemächern des Ältesten der Weisen, keine Rolle.
»Daron Norandar«, sagte sie und verneigte sich, wie es die Etikette unter Adligen gebot.
Beide Elben, der Herr sowie sein Gefährte, erwiderten nichts. Erst nach einigen Sekunden verneigte der größere der beiden sich. »Der Segen der Schöpfergeister sei mit Euch, Dari Amadian«, sagte er höflich. Zu Sanaras Erstaunen wirkte er nicht sonderlich überrascht, sie zu sehen, und beinahe schien es, als habe er erwartet, sie hier zu treffen.
Sein Gefährte dagegen sah sie an, als wäre sie keine Frau, die in der Tracht der Weisen vor ihnen stand, sondern ein kleines, schmutziges Schankmädchen aus den Tavernen der Vorstadt Bandothis.
Sanara straffte sich. Sie nickte dem Fürsten von Norad und auch seinem Gefährten noch einmal kurz zu und ging so würdevoll sie konnte davon, ohne sich um die Überraschung der beiden zu kümmern. Sie sah nicht einmal zurück.
In ihrem Gemach angekommen, schloss sie hastig die Tür und lehnte sich von innen dagegen, als könne allein dies das Bewusstsein, dass sie gerade dem Geliebten ihrer Seele gegenübergestanden hatte, fernhalten. Doch trotz des nahen Feuers, trotz der geschlossenen Türflügel strich Wind über ihr Gesicht.
Sie schauderte, als kühle Frische bis tief in ihre Knochen wirbelte. So
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