Goldmond
sich Telarion zu. »Fürst, ich rechnete nicht mit Eurem Besuch, und so kann ich Euch nur von dem süßen Wein anbieten, der hier für Feuer- und Erdmagier gekeltert wird.«
Er zögerte. Sanara spürte, dass er gern abgelehnt hätte, doch dann siegte die Höflichkeit.
Wieder nickte er knapp.
Der Kelch in ihrer Hand zitterte wie die Karaffe. Doch Sanara brachte es fertig, nichts von dem rubinroten Getränk zu verschütten und reichte ihm seinen Kelch so, wie es sich für eine Gastgeberin geziemte, mit beiden Händen. Er war ein Fürst, ja, aber Sanara empfand sich als gleichrangig.
Er nahm den Becher mit kurzem Dank, nippte einmal daran und behielt ihn dann in der Hand, wie es die Höflichkeit gebot, während er das Gespräch eröffnete.
»Mendari, Ihr und ich, wir sind ewig verbunden, auch wenn wir wohl beide wünschen, es wäre nicht so«, begann er.
Sanara spürte, wie sich bei diesen Worten die Röte ihrer Wangen verstärkte. Sie suchte nach Worten für eine Erwiderung, doch er schien keine Antwort zu erwarten.
»Mein Zorn, als Ihr der Gefangenschaft meines Bruders – meiner Gefangenschaft – entkamt, war groß, Mendari«, sprach er weiter. »Ich war der Überzeugung, Ihr wärt es mir schuldig, mir und meinem Zwilling Eure Magie zu überlassen, sodass ich nach Belieben darüber verfügen könnte. Ich konnte nicht fassen, dass Ihr Euch dieser Pflicht, die ich Euch auferlegte, entzogen habt.«
Zorn wallte in Sanara auf. Klirrend stellte sie ihren Kelch ab.
»Ihr liebt die Freiheit, Fürst, und Ihr liebt die Schöpfergeister. Jedenfalls lasst Ihr keine Gelegenheit aus, das der Welt mitzuteilen, ob sie es nun hören will oder nicht.« Sie redete sich in Rage. »Doch Akusu und Vanar schufen die Völker frei und unabhängig voneinander. Ich muss mich fragen, wie Ihr je annehmen konntet, dass ich mich Euch freiwillig unterwerfen würde, noch dazu, wenn ich es Euch damit indirekt ermöglichte, mein Volk endgültig zu unterjochen?«
Seine Miene wurde hart. »Ich weiß, wozu diejenigen, die die Gaben des dunklen Mondes in sich tragen, fähig sind, Mendari. Ich werde mich nie dafür entschuldigen, dass ich solche, die sich an der Schöpfung und dem Leben vergehen, strafe, wo immer ich sie finde.«
»Ihr seid von Eurer vermeintlichen Rechtschaffenheit so durchdrungen, mein Fürst, dass Ihr überseht, dass Verbrechen gegen die Schöpfung durchaus nicht nur einem der beiden Mondvölker vorbehalten sind! Oder muss ich Euch erneut daran erinnern, welche Verbrechen Euer Bruder beging – und Ihr mit ihm?«, gab sie zornig zurück. »Ihr seid mir nach wie vor den Beweis schuldig, dass einer aus dem Volk Akusus ein solches Massaker, wie Euer Zwilling es in meiner Familie anrichtete, fertigbrächte!« Sanara schnaubte. »Und Ihr entschuldigt ihn immer noch!«
Er schluckte und Sanara glaubte, seine überlegene Fassade bröckeln zu sehen.
»Seid versichert, Mendari, ich kenne die Verbrechen meines Bruders.«
»Tut Ihr das?«, fragte sie scharf.
Er zögerte mit der Antwort. »Ja, Mendari«, sagte er dann und wich ihrem Blick nicht aus. »Ich weiß, dass mein Bruder unseren Vater wenn schon nicht mit eigener Hand tötete, so doch das Verbrechen zuließ, ja, es vielleicht sogar befahl. Als ich Euch nach Eurer Flucht nachsetzte und … mit leeren Händen ins Lager zurückkehrte, beschuldigte er mich, Euch gefunden und doch freigelassen zu haben, weil ich der Magie einer Sklavin und Mörderin verfallen sei und so meine Ehre als Elb und Fürst unseres Volkes verloren habe.«
Bei diesen Worten färbten seine blassen Wangen sich leicht, und Sanara hatte den Eindruck, als sei das noch nicht die ganze Geschichte. Doch er sprach unbeirrt weiter.
»Es … es kam zum Streit zwischen uns, und ich besiegte ihn.«
Für eine Weile herrschte Schweigen.
»Ist Tarind … ist er tot?«, wollte Sanara schließlich wissen.
»Ja«, erwiderte Telarion knapp. »Mein Zwillingsbruder ist tot.«
Er unterbrach sich wieder, dann nahm er noch einen winzigen Schluck aus dem Kelch, als wisse er nicht, wie er fortfahren solle. Er verzog leicht das Gesicht, und Sanara erkannte, dass der Wein ihm, dem Luftmagier, zu süß und zu schwer war.
»Wie starb Tarind?«, fragte sie nach einer Pause.
Sogar für Sanara selbst klang die Frage unangemessen, kaum dass sie sie ausgesprochen hatte. Und doch bereute sie nicht, sie gestellt zu haben.
Telarion sah sie nicht an, als er ausführte: »Die Heftigkeit, mit der mein Bruder mich in unserem Streit anging,
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