Goldmond
vorbeizukommen, und unter guten Wünschen ging Sinan zurück in Richtung der Stadt. Es war heiß, doch nicht mehr so trocken wie in den letzten Tagen. In Bandothi hätte Sinan gesagt, es sei schwül, doch konnte es in der Wüste feucht sein? Es mutete nicht richtig an, und doch schienen die Wolken, die seit einigen Tagen über Farokant hingen, zu verhindern, dass die verbrauchte Luft der Stadt in den Himmel aufstieg. Sie blieb wie eine unsichtbare Glocke über der Stadt hängen.
Als Sinan durch das Westtor der Stadt kam, blieb er neben einem der Torwächter stehen.
»Wo finde ich das Bethaus des Syth?«, fragte er.
Der Mann, der sich schläfrig auf seine Lanze stützte und gelangweilt das Gewimmel der Menschen betrachtete, sah nicht einmal auf. »Da vorne bei der Taverne links. Das Haus hat Fenster aus Porphyr, nicht aus Alabaster oder weiß gestrichene.«
Sinan bedankte sich, doch der Wachmann schenkte ihm schon keine Beachtung mehr. Sinan folgte der Beschreibung. Niemand schien auf ihn zu achten, als er den Weg nahm, den die Torwache ihm gewiesen hatte.
Das Bethaus des Syth war leicht zu finden, denn auch wenn es aus erdfarbenen Ziegeln erbaut war wie alle Häuser der Stadt, waren die Bogenfenster, die wie die der meisten Gebäude mit Maßwerk versehen waren, in der Tat violett und purpurfarben ausgekleidet. Schon auf der Gasse zog der schwere Rauch nach Spezereien und verbrannten Gewürzen dahin, mit denen man die Schöpfergeister in ihren Tempeln und Gebetsräumen zu ehren pflegte.
Und doch betrat Sinan das Gebäude nicht sofort. Er lehnte sich an eine Mauer gegenüber des Eingangs und beobachtete eine Weile die Menschen, die im Bethaus ein- und ausgingen. Es waren überraschend viele. Er hätte – entgegen den Versicherungen von Lahita und Niavash – erwartet, dass man den Schöpfergeist des Chaos und der Zerstörung mied, doch das schien in Farokant wahrhaftig nicht der Fall zu sein.
Nach einer Weile kam er sich albern vor. Er machte Anstalten, zu Niavash in die Schmiede zurückzukehren, doch nach ein paar Schritten schon wandte er sich wieder um und betrat, ohne noch einmal nachzudenken, das Bethaus. Erst als er in der Eingangshalle stand, die zu seiner Überraschung nicht überdacht war, sondern von Maßwerkwänden eingefasst, die besonders verschlungene Muster wiedergaben, besann er sich. Doch es war zu spät umzukehren.
In der Mitte der Halle, unter freiem Himmel, auf einer Fläche aus feinkörnigem, buntem Kies, erhob sich ein Standbild aus Porphyr. Ein Krieger, in einem Gewand, das einer Rüstung glich und Sinan an die Festrobe seines Vaters Siwanon erinnerte. Die Ärmel und Säume des Gewands schwangen in einer unfühlbaren Brise wie die Haartracht, die in unzählige Zöpfe aller Art geflochten und gebunden war.
Es wirkte, als habe sich der Krieger gerade dem Herankommenden zugewandt. Einer der kunstvoll verzierten Jagdstiefel stand angewinkelt auf einem Felsen, als steige er einen Berg hinab zu seinen Anbetern. Die hohe Glefe, die seine Waffe war, war eins mit ihm und doch nicht auf den Betrachter gerichtet. Sie stand sichtbar neben dem angewinkelten Bein des Kriegers, er stützte sich darauf und schien doch jederzeit bereit, sie zu schwingen.
Beeindruckt suchte Sinan in seinem Gedächtnis das Zeichen, das angesichts eines Abbildes dieses Schöpfergeistes zu dessen Verehrung zu schlagen war. Er neigte respektvoll den Kopf, vollführte die Geste und sah sich dann weiter um.
Einige der Menschen hier knieten vor kleineren Altären, die insüdlicher Richtung aufgestellt waren, andere huschten leise in angrenzende Räume. Aus einigen klangen Liturgien und Gesänge, als hätten sich dort mehrere zusammengefunden, um gemeinsam zu beten.
Ein wenig unschlüssig stand Sinan vor der Statue und dem Steingarten, den man um sie herum angelegt hatte. Er glich einem Miniaturabbild der Wüste um Farokant. Bizarre Steinformationen, Schluchten, eine Fläche aus glitzerndem Salzkristall – ein verkleinertes Abbild des Vanionsees –, selbst die Miniatur einer Oase, in der ein winziger, von sorgfältig kleinwüchsig gehaltenen Itayabäumen umgebener Springbrunnen sprudelte, war zu sehen.
Sinan bemerkte, dass immer wieder Menschen vorbeikamen und ein Stück dieses Gartens pflegten, einen Stein hinzufügten, einen anderen wegnahmen, einen winzigen Sagaro pflanzten oder eine neue Furche in den Sand zogen. Ihre Kleidung machte auf ihn nicht den Eindruck, als seien es Shisans oder Heilige, wahrscheinlich waren es
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