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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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hatte immerhin für Ruhe in der Stadt gesorgt und ihm den Ruf der Gerechtigkeit eingetragen. Doch ein Blick auf Gajibians finstere Miene sagte ihm auch, dass der menschliche Händler diesmal keinen – oder zumindest keinen annähernd angemessenen – Lohn erhalten hatte.
    »Und diesmal entlohnte der Heermeister dich nicht?«, wollte er wissen.
    Gajibian wandte sich ihm zu. »Nein. Die Soldaten nahmen mir meine Ware mit Waffengewalt ab, verflucht sollen sie sein! Sie verhöhnten mich und sagten mir, ich dürfe dankbar sein, alles der Königin und ihrem Bruder abzugeben, denn es würde für die Feierlichkeiten des Königsbegräbnisses gebraucht. Ich wollte sofort den Heermeister sprechen, doch einer der Schmiede sagtemir, ich brauche gar nicht nachzufragen. Der Heermeister sei nicht mehr da.«
    »Nicht mehr da?« Adhasar hob die Brauen und schenkte Tee nach.
    »Der Schmied wollte mir nichts Genaueres sagen. Er war wohl abergläubisch und sah sich ständig um, als packe ihn gleich ein Totengeist und zerre ihn in die Jenseitigen Nebel – als ob es in diesen Tagen noch jemanden gäbe, der diese Kunst beherrscht! Aber ich ließ ihn reden, denn er wollte seine Arbeit unbedingt vor dem Ende der Roten Stunde abschließen und ins Sklavenlager zurück.«
    Sinan dachte an seine eigene Zeit im Menschenpferch, wie er es genannt hatte, zurück. Es waren nicht nur die Kinder des Akusu, die vor Einbruch der Nacht in ihre schlechten Hütten zurückwollten, die kaum Schutz vor Wind und Wetter boten, es waren auch die Elben, die die Menschen in der Nacht fürchteten und diese deshalb in die hochumzäunten Lager trieben.
    Doch Gajibian sprach schon weiter. Offenbar gefiel er sich darin, mehr zu wissen als sein Gastgeber. Er warf Sinan und Adhasar bedeutsame Blicke zu, erfüllt von der Wichtigkeit seiner Nachrichten, und sah sich um, als fürchte er, belauscht zu werden.
    »Was also deutete der Schmied an?«, wollte Sinan ungeduldig wissen.
    »Er sagte, der Fürst von Norad habe den König mit seiner Magie getötet«, wisperte Gajibian, nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte. »Dabei ist dieser doch sein eigener Bruder!«
    Sinan starrte den Mann genauso ungläubig an wie Adhasar. Der Fürst von Norad, der Truchsess des Reichs und Heermeister, der Mann, der sich seiner Heilkunst und der Macht über das Leben und die Magien aller Wesen so bewusst war, dass er die Haare kurz trug, sollte seinen eigenen Bruder umgebracht haben?
    »Nie hätte Telarion Norandar das getan«, stieß Sinan hervor. Im gleichen Moment wurde ihm klar, welche Ironie darin lag,dass ausgerechnet er diese Worte aussprach. »Er ist Heiler und sagt von sich, dass er nur die tötet, die das Leben nicht ehren!«
    Im gleichen Moment wurde ihm klar, dass hierin vielleicht der Schlüssel lag – wenn einer das Leben an sich nicht ehrte, so war das Tarind, das wusste Sinan aus eigener Erfahrung. Wenn der Fürst von Norad sein Motto wirklich ernst nahm, dann konnte es nur verwundern, dass er so lange gezögert hatte, die Hand gegen seinen Bruder zu erheben.
    Und doch verdrängte Sinan diesen Gedanken schnell wieder. Es hätte bedeutet, Telarion Norandar einen Gerechtigkeitssinn und einen Mut zuzusprechen, den Sinan ihm nicht zugestehen wollte.
    »Ich konnte es auch nicht glauben«, versicherte Gajibian mit Blick auf die zweifelnden Mienen seiner Gesprächspartner. »Und doch schwor der Schmied, es sei wahr, die Königin selbst habe es ihm gesagt!«
    Adhasar lächelte. Es sah ein wenig herablassend aus. »Warum sollte der Fürst der Elben so etwas tun?«
    Wieder senkte der Händler die Stimme. »Der Schmied sagte mir, Tarind habe seinem Bruder vorgeworfen, seine Seele verschenkt zu haben. An eine Magierin aus unserem Volk! Und man sagt, sie sei eine Amadian!«
    Sinan verschlug es den Atem, als er das hörte. Doch dann fragte er sich, was er erwartet hatte. Schon immer hatten sich die einfachen Leute das Leben der Adligen für ihre Märchen und Legenden mythisch ausgeschmückt. So verliehen sie ihren Hoffnungen Ausdruck. Das Leben der Hohen war der Stoff der Geschichtenerzähler und Musikanten, wie Ronan einer war.
    Doch je mehr er darüber nachdachte, desto einleuchtender erschien ihm das Gerücht. Was er gehört hatte, entsprach weitgehend dem, was er selbst erlebt hatte. Telarion Norandar mochte überheblich und stolz sein, aber er trug das Feuer von Sinans Schwester in sich. König Tarind war ein heimtückischer Mann gewesen, der, bedachte man es genau, viele

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