Goldmond
Gläubige.
»Es ist Sitte, den Garten um das Abbild herum ein wenig zu verändern, sodass es jedes Mal etwas Neues zu sehen gibt, wenn man einen Blick darauf wirft«, sagte plötzlich jemand hinter ihm.
Sinan fuhr herum. Hinter ihm stand eine Frau, die offenbar zu den Tempeldienerinnen gehörte. Ihr Haar war von so dunklem Rot, dass es fast violett wirkte. Es war kunstvoll geflochten und aufgesteckt. Die Augen dagegen waren von so hellem Gelb, dass Sinan sich fragte, ob sich nicht vielleicht elbisches Eis in ihren Feuerkräften verbergen mochte. Es schien ihm unhöflich, danach zu fragen, und so lenkte er ab.
»Also wird diese Landschaft hier morgen schon nicht mehr so aussehen wie jetzt.«
»So ist es«, erwiderte die Shisani belustigt. »Syth liebt die Veränderung, er erfreut sich jeden Tag aufs Neue am Anblick seines neu gestalteten Gartens.«
»Es scheint mir frevelhaft, dass sich jeder in das Werk eines anderen einmischen kann.«
»Du stellst das wie jemand fest, der sich öfter mit den Grundsätzen der Ys beschäftigt hat als mit denen ihres Geliebten.«
Sinan betrachtete die Gestalt des Kriegers vor sich. Das Bild war von einer Lebendigkeit, die ihn berührte. Das war jemand, der nicht hasste, sondern gerecht war, der nicht mutwillig vernichtete und doch den Mut besaß, Überkommenes zu zerstören.
Zum ersten Mal verstand er, dass Syth keineswegs die Schreckensgestalt war, als die die Elben den Geliebten der Ys sahen. »Das ist richtig.«
»Ich bin Varashti. Warum bist du hier?«
Sinan forschte in seinem Inneren nach einer Antwort auf diese Frage, spürte aber nur Leere; es war, als sängen und sprächen in ihm viele Stimmen und er könne doch keine genau erfassen und wiedergeben. Währenddessen betrachtete er den Steingarten, in dem nur wenig wuchs und der trotz der Beständigkeit des Materials, aus dem er bestand, morgen schon ganz anders aussehen mochte.
Die Shisani blieb neben Sinan stehen und drängte ihn nicht.
»Mein Leben wurde neu geschaffen«, hörte er sich schließlich sagen. »Das Leben schickte mich in den Tod, doch in diesem Tod kam einer, der mir die Kraft gab weiterzuleben. Jetzt bin ich ratlos, was ich mit dem Geschenk tun soll. Denn der, der mich in den Tod schickte, nahm mir das, was ich am besten konnte und woraus mein voriges Leben bestand.«
Sinan hob die Rechte und betrachtete sie. Als er die Finger krümmte, schmerzte es, und er zuckte zusammen. »Diese Wunde ist etwas, das ich nicht von einem Leben ins andere retten wollte. Ich bin Schmied. Doch meine Sehne wurde durchtrennt. So kann ich nicht weiter das sein, was ich als meine Bestimmung betrachte.«
Die Shisani nickte langsam. »Dann bist du wohl hier in der Hoffnung, diesen Zustand zu ändern.«
»Ja«, erwiderte Sinan. Er bückte sich und wählte einen der Steine, die in Schalen neben dem Garten rund um das Standbild lagen. Es war ein Stein, der dunkel und von hellen Adern durchzogen war, eine schlichtere Variante des Nachtfeuersteins. Er sah sich um und entdeckte ganz in der Nähe des Standbildsockels einen winzigen Garten. Jemand hatte Moos gebracht – erst kürzlich, denn es war grün und dick und feucht – und einen Wasserfall daneben angedeutet, dessen Quelle zu Füßen der Glefe des Syth aus dem Boden sprang. Die Quelle bildete einen kleinen Teich im Moos und tränkte es, bevor das Wasser die Felsen in die Wüste hinunterfiel und als winziges Rinnsal zu der Oase weiter vorn floss.
Als Sinan den Nachtfeuerstein in die Quelle legte, begann der Stein zu funkeln und wurde schöner als zuvor. Es kam Sinan so vor, als nehme das Wasser etwas von dem Licht, das dem Stein innewohnte, mit hinunter in die Landschaft.
Die Shisani lächelte. »Das Wasser schmeichelt dem Stein, macht ihn schöner«, sagte sie.
»Mir gefällt die Idee, dass der Stein das Wasser leuchtender macht und sein Licht und seine Essenz, die von Energie kündet, hinaus in die Welt trägt«, erwiderte Sinan.
Varashti sah ihn überrascht an. »Ich glaube, du bist hier richtig. Du willst verändern«, sagte sie.
Einer spontanen Eingebung folgend schob Sinan den Ärmel seines jibahans hoch und entblößte seinen linken Unterarm. »Es liegt mir im Blut«, sagte er. »Ich bin Schmied. Ich verändere die Erde und das Feuer.«
Varashti lächelte. »Das dürfte meinem Herrn und Schöpfer gefallen«, sagte sie. »Vielleicht hat er Heilung für dich. Doch er wird etwas von dir verlangen. Komm wieder, wenn du weißt, was du ihm für die Kraft deiner Hand
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