Goldmond
müssen wir auch bedenken, dass Syth, ihr Geliebter, immer das verändern und vielleicht sogar zerstören wird, was Ys schenkt.«
Jähe Hoffnung flammte in Ronan auf. Er neigte den Kopf. »Ich verstehe.«
»Tust du das?«, wollte der Ehrwürdige wissen. »Das sagten auch diese beiden, als ich ihnen alles zu erklären versuchte. Und doch ist das, was der Schöpfergeist ihnen schenkte, stärker, wie du selbst siehst.«
Ronan wandte sich seinem Meister zu. »Ich werde meinem Segen gemäß handeln, Ehrwürdiger, zweifelt nicht daran. Ich weiß, was ich den Schöpfergeistern schuldig bin.«
»Die Welt gehört Ys und Syth, nicht den Völkern. Es ist ihr Wille, der geschieht«, sagte der Ehrwürdige leise.
Als Ronan wieder in die Saalecke sah, stand Sanara allein dort. Der Fürst war verschwunden, mit der Schnelligkeit, die elbischen Kriegern zu eigen war.
Und Ronan musste entsetzt erkennen, dass er in Sanaras Augen weder Zorn noch Trauer lesen konnte. In ihrem Blick lag ein Leuchten, als habe sie ein Versprechen erhalten.
Die Stille tat nach all den Glückwünschen, den Liedern und Gesängen gut.
Noch immer war es Nacht, auch wenn der dunkle Mond über dem westlichen Horizont beinahe verschwunden war. Von der Galerie, die Sanaras Quartier nach Süden hin abschloss, war er kaum noch zu sehen, nur eine Sichel, dunkler als der Himmel dahinter, auf der rötlich-düstere Feuer brannten, war zu erkennen.
Der kleine Silbermond, der heller strahlte als die Zwillingsmonde, und die Sterne funkelten noch über dem Tal. Beides war so hell, dass Sanara die Landschaft erahnen konnte, die sich tief unter ihr erstreckte. An dieser Stelle fielen die Berge ab und versperrten die Sicht in das Land Larondar nicht, das vom Wald von Dasthuku bedeckt war. Auch Gebäude behinderten den Blick nicht. Er reichte so weit, dass man an besonders klaren Tagen inder Ferne einen glitzernden Streifen in den endlosen Wäldern von Dasthuku sehen konnte: den Mondsee.
Als Sanara die Augen schloss, stellte sie sich vor, wie sie vom Grünen Turm aus, der sich am Südufer des Mondsees befand, an ebenso klaren Tagen die Loranon-Berge hatte sehen können.
Für einen Augenblick fragte sie sich, was ihre Freundin Anjoris wohl gerade tat, die in Bandothi lebte, der Stadt der Elben und Menschen. Was sie sagen würde, sähe sie, dass Sanara, das einfache Schankmädchen, das als rebellisch galt, heute eine Shisani der Weisen geworden war. Was Lury und Ondra und Methid dazu gesagt hätten.
Ihr gefiel der Gedanke, dass Anjoris, die Gerberin und Färberin, sich gefreut hätte. Auch Lury, der Schankwirt, der sie zusammen mit seiner Frau über ein paar Jahre hinweg beherbergt und für den sie gearbeitet hatte, hätte wahrscheinlich vor Vergnügen geschmunzelt und ihr alles Gute gewünscht.
Was seine Frau Ondra getan hätte, war schwieriger zu sagen. Sie hatte Sanara gemocht, war immer freundlich gewesen, doch hatte sie im stürmisch-feurigen Wesen ihres Schankmädchens auch die Gefahr für sich und das Leben ihrer Familie gesehen. Sanara wusste plötzlich, dass Ondra es missbilligt hätte, hätte sie gewusst, was ihr in den letzten Mondumläufen geschehen war. Die Wirtin hätte ihre Verbindungen nicht gutgeheißen.
Die Erkenntnis tat weh. Lury und Ondra hatten Sanara, der Heimatlosen, dem Gossenmädchen, dem Liebchen eines Gassenschurken, das immer auf der Flucht gewesen war, eine Heimat gegeben. Eine Heimat, wie Sanara sie auch hier, im Kloster der Quelle der Weisheit, gefunden hatte.
Und nun ging sie wieder fort. Selbst den Morgen durfte sie nicht abwarten, hatte der Ehrwürdige gesagt. Er hatte sie eindringlich darauf hingewiesen, dass sie nicht einmal von Ronan Abschied nehmen durfte. Niemand durfte wissen, dass Sanara und Telarion Norandar unterwegs waren, um das Siegel zu suchen.
Sanara verstand den Grund für die Eile nicht, zu der er gemahnt hatte, hatte aber nachgegeben, als sie hörte, dass selbst der Milchbruder und Vertraute des Fürsten zurückbleiben würde. Die Betroffenheit, die Telarion Norandar bei dieser Anweisung ins Gesicht trat, hatte deutlich gemacht, dass ihm diese Geheimhaltung noch schwerer fiel als ihr.
Sanara wandte sich von der Galerie ab und ging hinüber zu ihrer Schlafstätte. Darauf lag ein Bündel, in das sie wenige Habseligkeiten, einige Kräuter, ein wenig Proviant und eine Decke gepackt hatte. Sie nahm es, denn sie hatte nur noch wenig Zeit. Der Fürst der Elben würde sie beim Untergang des Dunkelmonds am hinteren Ausgang
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