Goldmond
Laienhemds, als der Ehrwürdige sie darum bat. Ein Raunen ging durch die Umstehenden. Sie stand mit nacktem Oberkörper da, nur mit einem Brustband bekleidet. Die Tätowierung auf ihrem linken Arm war, wie Ronan befürchtet hatte, nicht nur gelb und dunkel. Jede der vielen Flammen, die sich, von ihrem Handgelenk ausgehend, den Arm hinaufzogen, hatte einen grünen Kern, aus dem sie sich speiste und der wie die Flamme selbst zu dunklem Rauch in der gleichen Farbe zu verbrennen schien. Die Flammen leckten über ihre Schulter bis zu dem Wappen auf ihrer Brust, dessen unteres Viertel zwar vom Brustband verdeckt wurde, aber das Wesentliche sichtbar ließ: Die Letzte der Flammenspitzen, die silbrig gefärbt waren, berührte das Maul der Sonnenechse, die sich auf dem achtzackigen Diamanten des Hauses Amadian zusammengerollt hatte. Die Schuppen der Echse waren nicht nur orange, rot und gelb, sondern an den Flanken silbrig und von einer Farbe, die der des Hemdes glich, das der Elbenfürst trug.
Ronan konnte den Blick kaum von diesem wunderschön gezeichneten und gefärbten Stück Haut abwenden. Nie war Sanara Amadian ihm schöner erschienen.
Doch als sie nun fragend aufsah, erwiderte Sanara nicht seinen Blick. Auch nicht den des Ältesten. Sie sah den Fürsten von Norad an. Es war seine Zustimmung, die sie stumm erbat.
Als Ronan das bemerkte, spürte er einen Stich im Herzen. Beinahe wünschte er sich, Telarion Norandar würde sie in irgendeiner Form zurückweisen. Und für einen Augenblick sah es zuRonans Genugtuung tatsächlich so aus, als sei der Fürst empört über das anzügliche Aufblitzen ihrer Augen.
Doch dann huschte ein Lächeln über das bisher so unbewegte Gesicht des Elbs und verlieh dem sonst so ernsten, fast strengen Blick eine ungekannte Zärtlichkeit.
Bevor Ronan wirklich darüber nachsinnen konnte, was er gerade gesehen hatte, hatte Sanara den Blick wieder gesenkt. Sie verbeugte sich vor dem Ältesten und nahm die hataka der Weisen entgegen, um sie anzulegen. Sorgfältig und feierlich legte sie die hataka an, die ihr zu Ehren einen Gürtel mit einem gelbgrünen Muster besaß, dessen Formen an Wolken und Sonnenstrahlen auf dunkelbraunem Grund erinnerten.
Als sie das Gesicht wieder hob, war keine Spur von Wagemut oder Belustigung mehr darin zu sehen.
»Mit dem heutigen Tag seid Ihr, Sanara Amadian, eine Shisani der Weisen«, erklärte der Älteste jetzt mit lauter Stimme und beendete damit die Zeremonie.
»Kommt«, sagte er und deutete Sanara mit der Hand an, ihm zu folgen. Auch den Fürsten von Norad zog er mit sich.
Ronan wollte mitgehen, doch der Ehrwürdige lehnte ab. »Ich muss mit der Gesegneten und dem Fürsten allein sprechen.«
Er erklärte sein Tun nicht weiter.
Ronan blieb stehen und versuchte, das Gefühl der Eifersucht und der Sorge zu verdrängen. Auch als der Älteste Sanara und den Fürsten nach einigen Worten allein ließ und wieder zu Ronan zurückkam, wandte der Musikant den Blick nicht von beiden ab. Sie standen dicht voreinander, der Fürst blickte auf die frischgebackene Shisani herab, sie zu ihm auf. Worüber sie sprachen, war nicht zu verstehen.
»Ronan Abhar, du musst sie gehen lassen. Sie ist die Auserwählte der Ys, er ist ihr Gefährte.«
Ronan schwieg und erwiderte den ernsten Blick des Ältesten nicht. »Ich bin nicht mehr sicher, ob Sanara es ist, die das Siegel finden wird«, sagte er schließlich.
Verblüfft schwieg der Ehrwürdige einen Augenblick. »Was lässt dich zweifeln?«, wollte er dann wissen.
Wieder warf Ronan einen Blick zu Sanara hinüber, die immer noch vor dem Elbenfürsten stand und leise mit ihm sprach. Er musste erneut gegen die Enttäuschung ankämpfen, als er daran dachte, dass Sanara in wenigen Tagen allein mit dem Fürsten aufbrechen würde, um das Siegel zu suchen. Schon der Gedanke, sie könnte mit Telarion Norandar Zeit verbringen, ohne des Abends auf seine, Ronans, Wärme und Kraft zurückgreifen zu können, ließ Ronans Herz vor Mitgefühl schneller schlagen.
Er versuchte, sich von den beiden abzuwenden.
»Sie ist stark«, sagte er schließlich zum Abt. »Doch sie ist keine Elbin. Sie ist ein Mensch. Sie ist nicht stark genug, um seiner Magie in ihr den ihr gebührenden Platz zuzuweisen.«
»Das genau verkennst du«, sagte der Abt ernst. »Sie ist sehr wohl in der Lage, denn sie ist keine Feuermagierin mehr. Ihre Magie ist nun, dank des Geschenks der Ys, so einzigartig wie die des Fürsten.«
»Ich bin mir dessen nicht mehr sicher«,
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