Goldmond
verbreiterte, konnte sie vielleicht sogar baden.
»Hier werden wir bleiben«, sagte Telarion und ließ sein Bündel, das er an einer Astgabel trug, fallen. Dann befasste er sich zu Sanaras Erstaunen damit, ein paar der geschwungenen Schriftzeichen der Elben in das dicke Moos an den Ästen zu zeichnen. Neugierig sah sie zu, wie er sich bemühte, die Symbole sichtbar anzubringen, ohne das Moos zu sehr zu zerstören.
Im Kloster hatte sie diese Symbole zu lesen gelernt, es waren Glyphen des Lebens und aller Kräfte, und so kam ihr der Verdacht, er schaffe eine Zone, in der die Magie der Elemente keine negative Kraft haben würde. Sicher wollte er die Ruhe der ersten Rast nicht an mühseliges Wachehalten verschwenden, da sie sich noch am Rand des Reiches der Weisen befanden und ein Angriff der Soldaten der Königin eher unwahrscheinlich war.
Schließlich ließ er sich an einem Ast nieder. Er lehnte sich dagegen und sah Sanara dabei zu, wie sie es sich ihrerseits bequem machte.
»Ihr habt hervorragend durchgehalten, Shisani Sanara.« In seiner Stimme war echte Bewunderung zu hören.
Sanara hörte es kaum. Erst jetzt, wo sie sich nicht mehr darauf konzentrieren musste, einen Fuß vor den anderen zu setzen, keinen der Äste, die er aus dem Weg bog, ins Gesicht zu bekommen und nicht über Wurzeln zu stolpern, spürte sie die Müdigkeit. Der Gedanke an ein Bad im kalten Bach verlor an Reiz. Es hätte bedeutet, sich mühselig aller Kleidung zu entledigen und vor allem, sich zu bewegen.
Im Moment hatte Sanara aber nur den Wunsch, sich zwischen die Äste zu legen und die Augen zu schließen. Plötzlich sehnte sie Ronan herbei. Auf der Reise von Entarat, wo sie aus dem Heerlager der Elben geflohen war, in die Zendar-Berge hatte er jeden Abend ein Lied für sie gesungen. Eines, das ihr wie schon in der Gefangenschaft des Königs Kraft und Zuversicht geschenkt hatte. Sie wusste, das durfte sie vom Fürsten nicht erwarten. Vielleicht hätte er ein wenig Heilkraft anwenden können, aber schon für den Gedanken an eine solche Bitte war Sanara zu stolz.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, und Sanara beschloss, dass sie es nicht brechen würde. Sie wartete, bis er seine Stimme schließlich wieder erhob.
»Warum so wortkarg, Shisani?« In seiner Stimme schwangen Verwunderung und auch eine Spur von Heiterkeit. Beides weckte in Sanara den Zorn, den sie schon bei Tag ihm gegenüber empfunden hatte.
»Ich habe nicht viel zu sagen«, erwiderte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Ich bin müde, nachdem Ihr mich länger als einen Tag durch die Wälder gescheucht habt. Und ich bin kein Elb, ich bin ein Mensch.«
»Das weiß ich«, sagte er. »Wahrscheinlich seht Ihr die Körperübungen, die ich mit Euch durchführte, nun mit anderen Augen.«
Sanara setzte sich auf. »Hört auf, mich wie einen Knappen Eurer Regimenter zu behandeln, Herr Heermeister, auch wenn ich vielleicht in Euren altersweisen Augen kaum älter als ein Kind sein mag!«
Er zuckte unmerklich zusammen, als sie ihn wütend anfunkelte. Doch er fasste sich schnell. »Ich bin kein Heermeister mehr«, erwiderte er trocken. »Meine ehemalige Schwägerin versicherte es mir überaus glaubhaft. Ich war dabei, als sie es höchstselbst meinem gesamten Heer verkündete, mich meiner Ämter und Titel entkleidete und sie ihrem eigenen Bruder übertrug. Im Grunde ist es daher nicht einmal angemessen, wenn Ihr mich mit dem Titel ›Fürst‹ bedenkt.«
»Nun, dann werde ich Euch in Zukunft einfach nur noch Daron Elb nennen«, entgegnete Sanara bissig, »denn ich kann mir nicht vorstellen, dass gerade Ihr ohne einen Titel zu leben vermögt!«
In seinen Augen funkelte der Schalk. »Es sei Euch gestattet, mich zu nennen, wie es Euch beliebt, Shisani. Und wenn Ihr mir sagt, wo ich in Euren nunmehr weisen und geweihten Augen gefehlt habe, fällt mir sicher noch mehr ein, Euren Zorn zu besänftigen. Auch wenn ich nicht weiß, womit ich ihn verdient haben könnte.«
Es war nicht das erste Mal, dass er ihr gegenüber einen ironischen Tonfall anschlug. Es machte sie immer zornig, doch jetzt brachte es das Fass ihrer Wut zum Überlaufen. Wütend riss sie ein Büschel Moos vom Stamm neben sich und warf es nach ihm. Natürlich verfehlte sie ihn, denn er wich mit der ihm eigenen Schnelligkeit aus, doch es entlockte ihm ein Lachen, das er sofort wieder unterdrückte.
»Hört auf damit!«, schrie sie. »Die Herablassung, mit der Ihr mir begegnet, ist unerträglich! Ihr behandelt mich wie ein
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