Goldmond
wenn, dann nur in den Nebeln. Doch mittlerweile war sie stark genug, ihn selbst zu verjagen. Sie war nicht mehr darauf angewiesen, dass Ronan dies tat oder ihr dabei half.
»Nicht im Tempel, nein«, sagte sie. Ihre Stimme klang selbst in ihren Ohren merkwürdig tonlos.
»Dann habt Ihr ihn schon gesehen. Vielleicht, als ich Euch gefangen hielt?«
Sie fuhr jäh hoch. »Ihr wusstet davon? Ihr wusstet, dass dieser Geist mich verfolgte?«
»Nicht, solange Ihr meine Gefangene wart!«, wehrte er ab. »So viel ich von Euch über die dunkle Kunst gelernt habe, ist es … überaus unehrenhaft, sie auf eine solche Weise anzuwenden. Ich hätte das nie gestattet, wenn ich es gewusst hätte.«
In seinem Gesicht stand geschrieben, wie sehr ihn der Gedanke verletzte, sie könnte denken, er habe seine Gefangene so schändlich behandelt.
Sanara senkte den Blick und schalt sich selbst. Sie kannte den Fürsten mittlerweile gut genug, um sagen zu können, dass er das wohl in der Tat nie gestattet hätte. Telarion Norandar hatte sich ihre Magie unterwerfen wollen, doch er hatte es mit ihrem Wissen und im Glauben getan, er strafe eine Verbrecherin, und es wieder unterlassen, sobald er erkannte, dass er ihr Unrecht tat.
»Es tut mir leid«, murmelte sie. »Ich hätte wissen müssen, dass Ihr eine solche Hinterlistigkeit nicht duldet. Und ich muss Euch auch um Verzeihung bitten, dass ich eine Zeitlang dachte, Ihr wärt es selbst.«
Telarions Miene verhärtete sich. »Ich kann Euch und Eure lebende Seele wohl sehen, Sanara, wenn ich es will«, sagte er dann. »So sah ich auch, dass der qasarag Eures Bruders Euren Körper bereits getötet hatte, aber Eure Seele noch darüber wachte. Nur so konnte ich Euch heilen. Doch ich kann mir umgekehrt selbst kein Bild geben, geschweige denn mir aus den Jenseitigen Nebeln eines erschaffen.«
Sanara schluckte, als sie daran dachte, wie nah Telarion ihr damals bei ihrer Heilung gekommen war. Plötzlich wusste sie, sie hätte selbst den Tod erneut in Kauf genommen, wenn er sie nur noch einmal so festgehalten hätte.
Wenn er nur noch einmal seine Magie so in sie hätte strömen lassen wie damals, als sie ihre Seelen geteilt hatten.
Sanara atmete tief ein. »In der Regel sind Seelenbilder sehr deutlich«, sagte sie. »Sie entsprechen dem Bild, das der Dunkelmagier von sich selbst hat. Das Bild dieses Seelenmagiers jedoch zerfaserte ständig, man konnte nicht einmal erkennen, welchesGeschlecht es besaß. Dass seine Kraft blau war und ins Violette überging, zeigte mir, dass es kein Mensch sein konnte. Blau ist die Farbe des Wassers.«
Er nickte grimmig. »Ich sagte Euch schon bei unserer ersten Unterredung im Tempel der Quelle, es handele sich um Ireti, die Gemahlin meines Bruders, die wahrscheinlich meinen Vater tötete, möglicherweise mit dem Wissen, ja, vielleicht sogar auf Befehl meines Bruders.«
Er unterbrach sich kurz. Sanara konnte sehen, wie ihn der Gedanke schmerzte. Wieder empfand sie Mitgefühl, wie damals, als er ihr das erste Mal davon erzählt hatte. Doch wieder ließ er ihr keine Gelegenheit, dieses Mitgefühl auszudrücken.
»Darum hat Tarind den Tod verdient«, fügte er hart hinzu. »Aber Ireti lebt. Wenn Ihr sagt, ein Geist des Wassers habe Euch geplagt, während Ihr meine Gefangene wart, so war sie es. Ich weiß, dass sie Euch beobachtete, denn Tarind schleuderte mir in meinem letzten Streit mit ihm vieles entgegen, was er anders nicht hätte erfahren können.« Er zögerte und warf ihr einen Seitenblick zu. »Er wusste, dass ich Euch dem Tod entriss, und er wusste auch, wie es geschah und was dann passierte. Er kannte jedes Wort unseres Streits.«
Sanara seufzte ungeduldig. »Das ist ja alles gut und schön. Aber was hat Ronan damit zu tun? Er ist der, der mir immer half – und das Abbild Iretis sogar verbannte. Der mich fand, der mich als diejenige erkannte, die das Siegel finden soll. Und nun klingt es so, als glaubtet Ihr, er verhalte sich wie sie.«
Telarion zögerte. »Das vielleicht nicht. – Nun, Seine Ehrwürdigkeit Abt Morotand beherrscht wie Ihr das Feuer, aber er ist auch wie ich ein Heiler. Er ist in der Lage, Abbilder der Magie zu sehen, die sich in seiner Umgebung befinden. Ab und zu fiel ihm, wenn er Euch unterwies, auf, dass die Schatten des Raumes dunkler waren, als sie es sein sollten. Er bat mich, darauf zu achten, denn meine Heilkraft ist stärker als die seine. Ich sah es auch, doch ich konnte diesen Fleck nie erfassen. Es hätte jedes Malauch ein
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