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Goldmond

Goldmond

Titel: Goldmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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trotziges Kind!«
    Das Lachen in seinen Augen blieb, als er antwortete. »Seid versichert, Shisani, nur dann, wenn Ihr Euch wie ein solches benehmt!«
    Sanara schnaubte. »Ich sollte mich darüber nicht wundern. Wenn man es recht bedenkt, bezeichnet Ihr wohl jeden als Kind. Als ob Ihr die Weisheit mit Suppenlöffeln gegessen hättet!«
    Er wurde ernst und sagte nach einer Pause überraschend sanft: »Glaubt es oder glaubt es nicht, Sanara, ich verstehe, was Ihr fühlt.«
    »Ach, schweigt doch. Ihr habt keine Ahnung«, erwiderte Sanara. Sie fühlte sich erschöpft.
    »Nun, ich habe Euch in den vergangen Wochen unterrichtet und hatte viel Gelegenheit, mich mit Eurer schillernden Persönlichkeit zu befassen«, sagte er. »Ich denke, Ihr seid sehr müde. Und wisst nicht, warum wir so heimlich und so schnell nach Eurer Weihe aufbrachen.«
    Es klang bei aller Ironie versöhnlich. Er wollte keinen Streit. Er griff in seine Tasche und zog den Proviant hervor, der aus grob gemahlenem Getreide bestand, das man mit Schmalz von Gänsen zu einem fetten Teig geknetet und mit getrocknetem Obst gemischt hatte. Auch einige Stücke Rauchfleisch von Keosotziegen waren dabei.
    »Wir sind heute länger gewandert, als wir in den nächsten Tagen an einem Stück gehen werden. Die Reise zum Berg Seleriadist nicht sehr lang. Wir sollten es in weniger als einem Zehntag geschafft haben. Im Tempel der Ys werden wir hoffentlich finden, was wir suchen.«
    Er schob ihr das Fleisch hin. Ein wenig versöhnt griff sie nach einem Streifen und begann zu kauen. Sie wusste, dass er keines aß, wenn es sich vermeiden ließ, und in der Tat hielt er sich an den Getreideteig und die getrockneten Früchte. Außerdem hatte er, wie sie bemerkte, am Tag einiges an frischen Kräutern gesammelt, die er nun zerzupfte und mit gemurmelten Worten des Lebens unter den Teig mischte.
    Als er die Neugier in ihrem Blick bemerkte, hielt er ihr eine Handvoll davon hin.
    »Sie verbessern den Geschmack des Getreides und helfen den Muskeln, sich im Schlaf zu entspannen«, sagte er. »Es ist ein wenig bitter für Menschen, aber ich glaube, Ihr solltet es versuchen.«
    Sie stutzte, als er ihr seine Heilkunst, um die sie zuvor aus Stolz nicht hatte bitten wollen, nun freiwillig anbot. Doch sie lehnte nicht ab.
    »Ich kann nur hoffen, dass sich das Siegel dort befindet«, sagte sie. »Ys schuf es, sie sagte uns beiden in ihrem Heiligtum, dass wir es finden müssten. Dort muss etwas sein, was uns weiterhilft.«
    »Ihr sagtet dem Ehrwürdigen und mir gestern, Ihr wärt Euch dessen sicher«, gab er zu bedenken.
    Sie nickte. »Akusu sagte mir, ich trüge die Antwort bereits in mir. Und ich bin mir sicher. – Doch ich bin mir auch anderer Dinge sicher, von denen Ihr und der Älteste mir sagtet, sie seien ganz anders.«
    Er schwieg eine Weile, ehe er sagte: »Ihr meint die Schnelligkeit unseres Aufbruchs.«
    Sanara warf ihm einen Seitenblick zu. Telarion Norandar betrachtete sie aufmerksam, als suchte er etwas in ihrem Anblick, doch er schwieg und wartete darauf, dass sie weitersprach.
    »Ja«, sagte sie schließlich. »Warum wolltet Ihr das? Wir habenwegen meiner Weihe so lange zögern müssen, da kam es doch auf ein paar Stunden nicht an.«
    Er zupfte noch ein paar der Kräuter in winzige Stücke und drückte sie in eine Portion des Getreideteigs, dann reichte er ihr den nussgroßen Kloß. »Esst. Ihr müsst müde sein. Ihr seid gestern von den Zwillingsmonden zu einer Seelenherrin gemacht worden.«
    »Ihr wart dabei, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Ihr könnt also die Abbilder sehen, die Euresgleichen aus den Nebeln der Jenseitigen Ebenen zu formen vermögen?«, sagte er, ohne auf ihren Spott einzugehen.
    »Ja. Warum fragt Ihr?«
    »Ist Euch während Eurer Zeit im Kloster nie ein dunkler Schatten aufgefallen, der Euch folgte?«
    Sanara blieb der Bissen, an dem sie kaute, beinahe im Halse stecken. Sie dachte an den Geist zurück, der sie während ihrer Gefangenschaft nie in Ruhe gelassen hatte. Der sie geplagt hatte, der ihr Gemüt zermürbt und ihr immer wieder jegliche Hoffnung auf eine Besserung ihrer Lage genommen hatte. Der ihr sogar während ihrer Lektionen mit Ronan hin und wieder begegnet war, auch wenn dieser in der Lage gewesen war, die Nebelgestalt mit wenigen Tönen aus seiner haqum , der Süßholzflöte, die er immer bei sich trug, zu vertreiben.
    Sie hatte nicht mehr an diesen Geist gedacht, denn seit sie im Tempel angekommen waren, hatte er sich kaum noch gezeigt, und

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