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Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall

Titel: Goldrausch: Tannenbergs zweiter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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… so’n flexibles Schloss, womit man den Gürtel ganz genau einstellen kann.«
    »Koppelschloss!«
    »Genau: Koppelschloss!«
    »Sag mal, Rainer, merkst du eigentlich, welchen ausgemachten Schwachsinn wir hier von uns geben? Zum Glück hört uns niemand zu!«
    »Du hast Recht, Wolf. Komm, lass uns als krönenden Abschluss noch einen schönen, großen Belli trinken«, sagte Dr. Schönthaler und befüllte die chromfarbenen Nierenschälchen erneut mit dem duftenden Zaubertrank.
    Tannenberg ließ genüsslich den hochprozentigen, aber sehr weichen Mirabellengeist die Kehle hinunterrinnen. Plötzlich lachte er laut auf.
    »Was ist denn in dich gefahren? Hast du etwa gerade davon geträumt, dass der Hollerbach einen tödlichen Unfall hatte?«, fragte der Gerichtsmediziner mit seinem berühmt-berüchtigten Pathologenhumor.
    »Nein, Rainer, aber die Richtung stimmt: Vorhin hat mich der Herr Oberstaatsanwalt angemacht, weil ich ›Penner‹ und nicht ›Obdachloser‹ gesagt hatte. Und dann hab ich ihn gefragt, ob er nicht wisse, dass der Begriff ›Obdachloser‹ in hohem Maße ideologieverdächtig und politisch extrem inkorrekt sei. Das altehrwürdige Institut für Deutsche Sprache hätte sich nämlich zu Wort gemeldet und eindringlich dazu aufgefordert, stattdessen den Begriff ›Nichtsesshafter‹ zu verwenden. Und der blöde Hollerbach hat mir das doch tatsächlich geglaubt. Typisch: hohl, hohl, Hollerbach!«, freute er sich und bat Dr. Schönthaler um eine weitere milde Gabe.
    Durch jahrelange, unter der fachärztlichen Kontrolle des befreundeten Rechtsmediziners durchgeführte Selbstversuche war Tannenberg zu einem ausgesprochenen Experten hinsichtlich eines der interessantesten, aber zugleich auch unheimlichsten Phänomene gereift, die der alte Bacchus seinen Jüngern mit auf den Weg in die nachfolgenden Jahrtausende gegeben hatte: Die engagierte Huldigung der Geister des Weines und der Obstbrände löste nämlich häufig einen geradezu unheimlichen Kreativitätsschub aus, den der davon betroffene Mensch kaum vorauszuplanen vermochte, dem er aber stets willenlos ausgeliefert war, der eine mehr, der andere weniger.
    Der Leiter der Kaiserslauterer Mordkommission gehörte zur erstgenannten Sorte dieser Spezies und hatte dies in der Vergangenheit schon recht häufig am eigenen Leib erfahren müssen. Deshalb war er auch an diesem kalten Novembertag kaum überrascht, als ihn ein plötzlich aufflackernder Aktivismus-Impuls dazu nötigte, umgehend eine Wanderung auf den Kahlenberg zu unternehmen.
    Der Pathologe seinerseits hatte sich schon lange innerlich von irgendwelchen missionarischen Engagements bezüglich der ebenso kantigen wie unsteten Persönlichkeit seines Freundes verabschiedet, wusste er doch zur Genüge, wie dickköpfig dieser sein konnte. Also fragte er nicht lange nach, als Tannenberg nach einem Taxi begehrte, sondern beorderte einfach eines an den hinteren Krankenhauseingang.
    Der argumentativen Begründung des Kripobeamten, warum dieser sich vehement weigerte, einen Streifenwagen mit dieser Dienstfahrt zu betrauen, vermochte er zwar nicht zu folgen – schließlich handelte es sich bei Tannenbergs geplanter Exkursion ja um nichts geringeres als um eine Tatortbesichtigung –, aber wie so oft akzeptierte er dessen apodiktisch vorgetragene Entscheidung kommentarlos und gab ihm stattdessen noch eine kleine flüssige Stärkung mit auf den Weg.
    Als Tannenberg die ungeliebten Katakomben des Städtischen Krankenhauses verließ, wurde er von der ihn erwartenden dicken, grauen Nebelwand fast erschlagen. Er war derart überrascht von der veränderten Wetterlage, die für diese eingeschränkten Sichtverhältnissen verantwortlich war, dass er zunächst einige Mühe hatte, sich überhaupt zu orientieren. Selbst die prächtige Sandsteinfassade der Goetheschule, die ansonsten so erhaben über dem Krankenhausgelände thronte, war nur mehr schemenhaft zu erkennen.
    Das Taxi brachte den Leiter des K1 an den Parkplatz der Friedhofsverwaltung in der Donnersbergstraße, von dem aus er ohne Zögern zum Kahlenberg aufbrach. Da er und sein Bruder als Kinder oft ihre Großeltern in der Gärtnereistraße besucht hatten, kannte er sich in diesem Waldgebiet noch immer sehr gut aus, fand sich also trotz der widrigen Witterungsverhältnisse dort oben einigermaßen gut zurecht und erreichte nach einem etwa zehnminütigem Spaziergang den höchsten Punkt des Kahlenbergs, von dem aus man normalerweise einen spektakulären Blick über die

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