Goldschatz
dass er bislang so gut wie nichts über sich verraten hatte. Er verlangte von Fiona, dass sie ihm eine ganze Menge über sich selbst erzählte, während er sich in Schweigen hüllte, was seine eigene Person betraf.
Als er in den Laden ging, dachte sie bei sich: Das kann ich auch. Wenn er den Geheimniskrämer spielen wollte, würde sie das auch tun. Zum einen würde sie ihm ganz sicher nichts von Kimberly erzählen. Und zweitens würde sie von jetzt an jede erdenkliche Methode nutzen, um möglichst viel über ihn zu erfahren. Wissen ist Macht, sagte sie sich.
Als Ace zurückkam, erzählte er ihr, dass die Polizei im Laden gewesen sei. Offensichtlich hielt es niemand für möglich, dass die beiden Mörder durch die Straßensperren schlüpften. »Sie glauben, dass wir nach Süden gefahren sind, Richtung Miami«, meinte Ace, als er den Wagen zurück auf die Straße lenkte. »Offenbar hat die Polizei drei anonyme Hinweise erhalten, denen zufolge wir so weit im Süden gesehen wurden.«
»Dann werden sie hier nicht nach uns suchen?«
»Die nächste Zeit nicht und ich würde wetten, dass die anonymen Hinweise von den Taggerts kamen.«
»Sind das Verwandte oder Vögel?«
»Vettern«, entgegnete Ace mit einem Grinsen, als er wieder auf den Highway fuhr. Fiona registrierte verwundert, dass er in die Richtung zurückfuhr, aus der sie gekommen waren.
»Bitte sag jetzt nicht, dass du dem Vogel folgst, den du vorhin gesehen hast.«
»Ein Teichrohrsänger. Ich würde gern das Nest sehen. Es wird von Spinnfäden zusammengehalten. Aber nein, ich wollte nur sichergehen, dass wir nicht verfolgt werden. Falls der Polizist von der hochschwangeren Frau erzählt hat, könnte es sein, dass irgendjemand stutzig wird.«
»Richtig«, stimmte Fiona zu und hielt die Luft an. Aber es sah ganz so aus, als wäre niemand hinter ihnen her. Offenbar waren sie fürs Erste in Sicherheit.
Als Fiona allerdings das Haus sah, in dem Ace aufgewachsen war, war sie drauf und dran, sich der Polizei zu stellen; das Gefängnis konnte nicht so schlimm sein wie diese Hütte.
Sie hatte ein Metalldach, dessen Beschichtung an verschiedenen Stellen abgeblättert war und das sogar mehrere Löcher aufwies. Allerdings bezweifelte sie, dass es viel hineinregnete angesichts der dicken Moosschicht über den großen Löchern. Es gab so etwas wie eine Veranda, aber eine der Stützen war eingeknickt, sodass das Dach auf der einen Seite abgesackt war. Es gab eine Tür und zwei Fenster ohne Scheiben. Die obere Hälfte des Gebäudes war aus grauem Holz und die untere Hälfte war halb verfault.
Kein Wunder, dass es ihm im Kendrick Park so gut gefällt, dachte Fiona. Neben dieser Bruchbude nahmen sich die Gebäude im Park aus wie das Tadsch Mahal.
Ace lud ihr Gepäck aus und stand dann mit Koffer und Tasche da, während Fiona noch entgeistert die Hütte anstarrte. »Es ist ein bisschen rustikal«, sagte er entschuldigend.
Was soll das?, fragte sie sich. In ihrem Kopf schrillten Alarmglocken, denn sie hatte das ungute Gefühl, dass dies alles hier nicht echt war. Warum wollte er sie unbedingt glauben machen, dass er in seiner Kindheit ein armer, unterprivilegierter Junge gewesen war?
Sie wusste hierauf keine Antwort, aber sie war bereit, sich auf dieses Spielchen einzulassen. Wenn er wollte, dass sie ihn für ein grobschlächtiges Landei hielt, konnte er das haben. Sie konnte ebenso gut Theater spielen wie er. »Tragen deine Verwandten, die Taggerts, Schuhe?«, fragte sie. »Säubern sie sich die Zehennägel mit einem Jagdmesser? Und was ist mit den Montgomerys? Schon mal eine Badewanne gesehen?«
Ace überging ihre Bemerkung geflissentlich. Er wirkte sichtlich entspannt, als er die Tür aufstieß. Nicht dass es eine große Rolle gespielt hätte, ob sie offen oder geschlossen war, da sie ohnehin nur schief an einer Angel hing. »Komm nur, wir haben sogar Strom«, sagte er und forderte sie mit einem Nicken auf einzutreten.
»Lass mich raten. Deine Familie war mit Edison bekannt.«
»Klar. Er hat das Haus selbst gebaut. Warte nur, bis du den Holzofen gesehen hast.«
Fiona musste einen Moment die Augen schließen, um Kraft zu schöpfen. Wenn dieser Albtraum vorbei ist, schwor sie sich, werde ich regelmäßig an Wohltätigkeitsorganisationen spenden, die sich für Bedürftige einsetzen. Es ist unwürdig, dass irgendjemand in Amerika so leben muss.
Ein Teil von ihr klammerte sich an die Hoffnung, dass die Hütte im Inneren wohnlicher war, als es das Äußere vermuten
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