Goldschatz
sie anzusehen, aber in einem Tonfall, der sie aufforderte fortzufahren.
»Ja, Puppen«, sagte sie und machte sich wieder ans Fegen. Sie erzählte ihm, dass ihr Vater sie im Alter von sechs Jahren aufs Internat geschickt hatte und sie diese Schule geliebt hatte. Gleich am ersten Tag hatte sie vier gleichaltrige Mädchen kennen gelernt. »Wir nannten uns »Die Fünf« und sind seitdem Freundinnen«, sagte Fiona, verdrängte jedoch jeden weiteren Gedanken daran. Was mussten ihre Freundinnen durchmachen, jetzt, da man Fiona fälschlich eines so abscheulichen Verbrechens beschuldigte und sie sich versteckt hielt?
»Was ist mit deinem Vater?«, fragte er und stellte das angewinkelte Bein wieder auf den Boden. »Hat er dich besucht?«
»O ja!«, antwortete Fiona und die Anbetung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Ich weiß, dass ein Therapeut vermutlich sagen würde, er hätte mich vernachlässigt, aber ich habe es nie so empfunden. Er war immer perfekt.«
Ihr Puls beschleunigte sich und ein Glücksgefühl durchströmte sie, als sie von ihrem Vater sprach. Für ein paar Minuten vergaß sie, wo sie war und weshalb, und erzählte von ihrem Vater John Findlay Burkenhalter. Er besuchte sie während der Internatszeit dreimal im Jahr und jeder Besuch war aufregender als der vorhergehende. Er brachte immer die unglaublichsten Geschenke für sie und ihre vier Freundinnen mit. »Er ging mit uns in den Zirkus, auf den Jahrmarkt und in die Eisdiele. Einmal nahm er uns, als wir gerade zwölf waren, mit in eine Parfümerie und ließ uns schminken. Hinterher kaufte er uns dann allerlei Schminksachen.«
Als Ace hierzu nichts sagte, seufzte sie. »Man muss ein Mädchen sein, um das zu verstehen. Die Väter der anderen Mädchen auf der Schule verboten ihnen, sich zu schminken. Offensichtlich wollen die meisten Väter nicht, dass ihre Töchter erwachsen werden. Kein Lippenstift, keine kurzen Röcke, alles verboten.«
Ace musterte sie ungeduldig. Richtig, sagte sie sich, ich soll ja Fakten berichten und kein Loblied auf meinen Vater singen.
»Das war’s«, sagte sie. »Ich ging aufs College, machte meinen Abschluss in Wirtschaftslehre, hatte verschiedene Stellen in New York; und dann, vor acht Jahren, fing ich an, für Davidson Toys zu arbeiten.«
»Mit Kimberly«, sagte er nachdenklich.
»Kimberly bin ich erst begegnet, als ich schon anderthalb Jahre bei Davidson Toys war.«
»Meinst du, Kimberly könnte vielleicht das Bindeglied zwischen dir und Roy sein?«
»Kaum«, entgegnete Fiona und trat zurück, um sich den Raum anzusehen. Sie hatte genug Dreck entfernt, um einen halben New Yorker Fahrstuhl damit zu füllen. Aber offenbar hatte Ace nicht die Absicht, ein Kompliment auszusprechen. Vielmehr schien er tief in Gedanken versunken zu sein.
»Warst du je in Texas?«, fragte er. »Vielleicht als Kind?«
»Nie«, entgegnete Fiona. »Könntest du mir zeigen, wo das ... na ja, du weißt schon, das Örtchen ist?«
»Draußen hinter dem Haus«, sagte er ganz selbstverständlich. »Achte darauf, wo du hintrittst.«
Sie versuchte, nicht an die Gefahren zu denken, die draußen lauern mochten, und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Ein überwucherter Pfad führte durch die dichte Vegetation und sie folgte ihm, jede Sekunde darauf gefasst, von einer Kreatur angesprungen zu werden, wie sie noch kein zivilisierter Mensch gesehen hatte.
Aber der Gang erwies sich als ereignislos, und als sie in die Hütte zurückkehrte, hatte Ace einen kleinen Grill aus dem Wagen geladen.
»Dein Freund wird dich hassen, wenn er nach Hause kommt und feststellt, dass sein halber Haushalt fehlt. Du hast nicht zufällig Laken und Handtücher eingepackt, oder?«
»Zwei Stapel von jedem«, antwortete er und ihre Blicke trafen sich ganz kurz, aber sie schaute sofort weg. Sie hatte keine Ahnung, wie die Schlafgelegenheit aussah.
»Was gibt’s zum Abendessen? Ich bin fast verhungert.«
»Shrimps, die du schälen kannst, während ich erzähle.«
Fiona stöhnte laut auf. Es war ein ehrliches Stöhnen, was die Shrimps betraf, aber in Bezug auf seine Lebensgeschichte war es nur vorgetäuscht. Vielleicht würde sie ja jetzt endlich ein paar Wahrheiten erfahren an Stelle dieses Hinterwäldler-Unsinns.
Aber Ace verriet nicht viel von sich. Er war eins von vier Geschwistern und so etwas wie der Außenseiter in seiner sehr lebenslustigen Familie. Als er sieben war, zog der jüngere Bruder seiner Mutter, der ein sonderbarer, stiller Mensch war, bei ihnen ein,
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