Goldschatz
weil er sich das Bein gebrochen hatte.
»Wir schlossen uns zusammen«, erzählte Ace, während er Orangen für die Sauce schälte. »Als ich acht war, verbrachte ich meinen ersten Sommer mit meinem Onkel hier in der Hütte. Als ich dann zehn wurde, lebte ich ständig hier.« Bei diesen Worten blickte er sich liebevoll in der furchtbaren Bruchbude um.
Fiona musste sich abwenden, um ihren grimmigen Gesichtsausdruck vor ihm zu verbergen. Er mochte ja hier gewohnt haben, aber es steckte irgendein Geheimnis hinter seinem Leben in dieser schäbigen Hütte. Aber davon würde er nicht freiwillig etwas preisgeben.
»Was war mit der Schule?«, fragte Fiona und schob einen Fingernagel unter eine dünne Garnelenschale.
»Warte, ich zeige dir, wie das geht«, sagte Ace ungeduldig, beugte sich über sie und legte die Arme um sie, um ihr zu demonstrieren, wie man eine Garnele schält.
Einen Moment hielt Fiona den Atem an. Sein Kinn ruhte auf ihrem Haar und seine großen gebräunten Hände lagen auf ihren viel kleineren weißen Händen. Es liegt an der ganzen Situation, sagte sie sich. Sie waren allein inmitten einer paradiesischen Wildnis ... Nun ja, vielleicht nicht paradiesisch, aber ganz sicher waren sie allein... Ace war ein unglaublich gut aussehender Mann und so war es wohl nur natürlich, dass sie ihm gegenüber eine gewisse Anziehung empfand.
Um ihre Gefühle wieder in den Griff zu bekommen, schloss sie eine Sekunde die Augen und stellte sich New York, ihr Büro und ihre kühle, saubere Wohnung vor. Sie hatte sie von einem Innendekorateur gestalten lassen und sie konnte die gestylten Räume vor sich sehen. Aber wann würde sie dorthin zurückkehren können?
Plötzlich erstarrten seine Hände auf den ihren. Offenbar brachte ihn ihre Nähe ebenso durcheinander wie sie die seine.
Mit klopfendem Herzen drehte sie den Kopf nach hinten, um ihn anzusehen, wohl wissend, dass hierdurch ihre Lippen den seinen ganz nah sein würden. Hatte sie nicht selbst gesagt, dass ungewöhnliche Umstände ...
Aber er sah sie gar nicht an, sondern hatte diesen konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht, der ihr verriet, dass er lauschte. Hatte er einen Wagen gehört? Polizeisirenen in der Ferne? Eine lauernde Gefahr?
Dann erst hörte sie einen Vogelruf und wusste, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
»Au!«, rief er aus, als die Messerklinge seinen Daumen einritzte.
»Lass mal sehen«, sagte sie und griff nach seiner Hand.
»Nicht mal ein Kratzer.«
Ace schüttelte ihre Hand ab und lutschte an seinem Daumen. »Ich hätte daran denken sollen, dass du ein gestörtes Verhältnis zu Messern hast!«, schimpfte er.
»Würdest du weitererzählen, wenn du mit Leiden fertig bist?« Sie lächelte, um ihre Verärgerung zu überspielen. Sie hatte sich zu ihm hingezogen gefühlt, während er sich gar nicht für sie interessierte, sondern nur für...
Er trat zurück, wischte sich die Hände an einem Papiertuch ab und wandte sich wieder der inzwischen sauberen Küchenspüle zu.
»Mein Onkel Gil war Ornithologe und hat mich bis zu meinem dreizehnten Lebensjahr zu Hause unterrichtet. Als wir dann näher zur Hauptstraße zogen, konnte ich die Highschool besuchen.«
»Wo du Fußball gespielt und dich in die hübsche Lisa verguckt hast.«
»Lisa habe ich erst später kennen gelernt, als ich als Dozent an ihrem College Vorlesungen gehalten habe.«
Dann ist Lisa viel jünger als er, dachte sie, sprach es aber nicht aus. »Aha, College. Man stelle sich das vor: in der Wildnis aufgewachsen und dann das College besuchen. Man sollte nicht meinen, dass jemand, der in einem solchen Umfeld lebt, sich ein Collegestudium leisten kann. Oder dass so jemand den Wunsch nach höherer Bildung überhaupt verspürt.«
Ace ließ sich lange Zeit, ehe er antwortete, so als überlegte er sich jedes Wort sehr genau und als dächte er gründlich darüber nach, wie viel er enthüllen sollte. »Ich habe mir das Studium dadurch finanziert, dass ich ein Ausflugsboot für gelangweilte reiche Leute gesteuert habe. Und als mein Onkel mir bei seinem Tod Kendrick Park hinterließ, versuchte ich, etwas daraus zu machen. Es lief ganz gut, bis der Alligator zerstört wurde.« Er sagte das ohne eine Spur von Feindseligkeit in der Stimme und erinnerte auch nicht daran, wer den Alligator zerstört hatte.
»Ich werde dir deinen Plastikalligator ersetzen«, sagte sie ruhig. »Ich habe einiges Geld angelegt und ich kann außerdem eine Hypothek auf meine Wohnung aufnehmen. Wie viel hat
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