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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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zwei Biergläser auf den Tisch und daneben zwei Schnapsgläser. Die beiden Männer stießen mit den kleinen Gläsern an, kippten den Korn hinunter und spülten mit Bier nach.
    »Und?«, fragte Rath, »wie läuft’s denn so.«
    »Prima«, sagte Gräf. »Hab gestern Abend einen Tatverdächtigen verhaftet. Aber die Vernehmung hat Böhm sich dann wieder unter den Nagel gerissen.«
    Rath zuckte die Achseln. »Was willst du machen? Er ist der Ermittlungsleiter. Sei froh, wenn dein Name überhaupt irgendwo in der Akte auftaucht.«
    »Na ja. Besser, als im Excelsior rumzusitzen. Ist Goldstein immer noch nicht abgereist?«
    Rath schüttelte den Kopf. »Sieht so aus, als ob du deine Wette verlierst.«
    »Abwarten. Noch haben wir kein Wochenende.« Gräf schaute auf den Boden. »Wo ist eigentlich dein Hund?«
    »Schon im Bett.« Rath fummelte eine Overstolz aus seinem Etui und zündete sie an. »In welchem Fall ermittelst du eigentlich? Der tote Hehler?«
    Gräf schüttelte den Kopf. »Den hat Böhm an Lange abgegeben. Hängt irgendwie mit dem KaDeWe-Einbruch zusammen.« Er trank von seinem Bier. »Nein«, sagte er, »ich darf mich um schwule Nazis kümmern.«
    »Wie?«
    »Gerhard Kubicki. Der tote SA-Mann vom Humboldthain. Der war ein Homo.«
    Rath musste lachen. »Deswegen also hat Goebbels noch keinen zweiten Wessel aus dem Mann gemacht.«
    »Du glaubst es nicht, aber es gibt ’ne ganze Menge Homosexuelle in der SA. Vor allem in der neuen SA. Für die alten Stennes-Haudegen ist die neue Schwulenclique an der SA-Spitze ein ziemlich rotes Tuch.«
    Rath nickte. Der SA-Krieg hielt Berlin seit einigen Monaten in Atem. Oberführer Walther Stennes, der oberste SA-Chef von Berlin, Brandenburg, Ostpreußen und Pommern, hatte gegen Hitler aufbegehrt und gegen Gauleiter Goebbels und einmal sogar die Berliner Parteizentrale in der Hedemannstraße besetzen lassen. Schließlich hatte Goebbels mit Hitlers Rückendeckung die Notbremse gezogen: Stennes wurde seines Amtes enthoben, über fünfhundert seiner Anhänger aus der SA ausgeschlossen, vor allem in der Berliner SA mit eisernem Besen gekehrt. Seither hatte es immer wieder Prügeleien zwischen den verfeindeten SA-Lagern gegeben.
    »Habt ihr schon eine Spur?«, fragte Rath den Kriminalsekretär.
    Gräf zuckte die Achseln. »Wir haben einen Kommunisten aufgegriffen, der Kubickis Blut an seinen Kleidern hatte.«
    »Na, dann ist die Sache ja klar«, meinte Rath, »alles wie gehabt: Rote gegen Braune.«
    »Ich weiß nicht.« Gräf schaute skeptisch. »Der Mann hat zugegeben, die Leiche im Gebüsch versteckt zu haben, aber er streitet ab, den SA-Mann umgebracht zu haben. Er sagt, der habe da gesessen, mausetot und an die Kirchenmauer gelehnt, und er habe den Toten nur versteckt, um keinen Ärger zu bekommen.«
    »Na ja. Wann will er die Leiche denn gefunden haben?«
    »Am frühen Morgen. Hat sich an der Himmelfahrtkirche immer mit seinem Mädchen getroffen, morgens vor der Arbeit. Also, vor ihrer Arbeit; er selbst ist arbeitslos.«
    »Wie praktisch: Dann ist sie bestimmt auch diejenige, die ihm sein Alibi für die Tatzeit gibt.«
    »Nein.« Gräf trank sein Bier. »Das ist ja das Seltsame. Sie gibt ihm keins. Nicht einmal an dem bewussten Morgen hat sie ihn gesehen. Er sagt, er habe das Blut an seiner Jacke bemerkt und sei deswegen wieder nach Hause gegangen.«
    »Merkwürdige Geschichte.«
    Gräf nickte. »Und genau deshalb bin ich geneigt, sie zu glauben.«
    »Und wer soll den Nazi dann umgebracht haben?«
    Gräf zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht.«
    Er hielt sein leeres Bierglas in die Höhe. Mehr brauchte es nicht, um Schorsch anzulocken. Der Wirt des Nassen Dreiecks brachte ein frisches Bier und tauschte es gegen Gräfs leeres Glas aus. Missbilligend schaute er auf Raths halb volles.
    »Könnte jedenfalls sein«, meinte Gräf, nachdem er das frische Bier angetrunken hatte, »dass es doch etwas damit zu tun hat, dass das Opfer homosexuell veranlagt war.«
    »Ein schwuler Nazi als Opfer eines homophoben Mörders? Das kennt man doch eigentlich anders.« Rath schüttelte unwillig den Kopf. »Hat für mich immer einen komischen Beigeschmack, wenn Nazis oder Kommis sich als Opfer stilisieren.«
    »Der Mann stilisiert sich nicht, er ist ein Opfer.« Gräf wirkte verärgert. »Immerhin ist er umgebracht worden.«
    »Du hast ja recht. Aber seit Goebbels diesen Zuhälter Wessel zum Helden ...«
    »Wessel war kein Zuhälter. Das ist kommunistische Propaganda!«
    »Na, ein Märtyrer war er

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